Als 1896 das Kino nach Wien kam, repräsentierte es nahezu die Quintessenz der Moderne – eine neuartige Wunsch- und Wahrnehmungsmaschine, die die Grenzen alles bisher Gekannten sprengte und ferne Welten in Reichweite rückte. Bald etablierten sich im Prater die ersten Betriebsstätten für bewegte Bilder, zur Blütezeit in den 1950er-Jahren existierten über 200 Wiener Lichtspielhäuser, heute sind es noch knapp 30. Die Ausstellung »Kino Welt Wien«, zu der begleitend dieser Kalender erscheint, widmet sich der kulturhistorischen Dimension dieser städtischen Traum-, Rückzugs- und Begegnungsorte, die viele Jahrzehnte lang das Stadtbild prägten. Die ausgewählten Motive stellen dabei eine – im wahrsten Sinne des Wortes –Momentaufnahme in dieser 125-jährigen Kinogeschichte dar.

1980 fotografierte der Film- und Lichtspieltheaterfreund Herwig Jobst sämtliche damals noch in Betrieb stehenden 73 Kinos in Wien. Entstanden ist eine Sammlung authentischer Unikate, die gestalterische und programmatische Zeitbilder liefern, gleichzeitig aber auch auf den vielleicht faszinierendsten Aspekt von Kino überhaupt verweisen: die Spannung zwischen Außenansicht und Innenleben, zwischen Vergänglichkeit und Versprechen, zwischen Alltag und der Möglichkeit, mit ein paar Schritten einen magischen Ort zu betreten.

verlag filmarchiv austria, 2020