Das frühe Kino war wild, anarchisch und experimentierte leidenschaftlich mit den technischen Möglichkeiten des Mediums. Die meist nur wenige Minuten langen kinematografischen Schaustücke sind heute prägnante Manifeste einer neuen Sehkultur, die das Kino in der Pionierzeit von 1896 bis 1910 weltweit etablierte. Elementare Themen wurden verhandelt: Tempo, Farbe, Feuer, Komik und Eros forderten alle Sinne der Zuschauer, Derbes und Subversives wurde nicht gescheut.

Das Kino der frühen Jahre, meist von reisenden Schaustellern präsentiert, positionierte sich als Gegenkultur und brachte bald auch Bewahrungspädagogen und staatliche Ordnungshüter gegen sich auf. Ins Kino gehen galt tendenziell als »Sitten verrohend« und unterlief die herrschenden Moral- und Wertvorstellungen. Am Ende der Periode, um 1910, versiegte die Kraft des frühen Kinos nach und nach. Die »zügellosen« Laufbilder unterwarfen sich immer mehr den hochkulturellen Vorstellungen. Insbesondere die bürgerliche Theaterkultur bildete nun das Ideal für die Filmhersteller und Kinobetreiber.
Heute gilt das schrille und wilde Attraktionskino der ersten Jahre als praktisch vergessen und verdrängt. Mit diesem Bildkalender stellt das Filmarchiv Austria exquisite Kaderfotos aus seiner weltweit bedeutenden Frühkino-Sammlung vor und lädt zur Wiederentdeckung einer faszinierenden Ära ein.

© Filmarchiv Austria, 2021