Retrospektiven
Amour Fou
Eine europäische Filmproduktion
15.3.–6.4.2022
Vielleicht ist es gar kein so großer Zufall, dass im vereinten Europa Mitte der 1990er-Jahre zwei aus unterschiedlichen Ländern und Filmbereichen kommende Kreative die Idee haben, gemeinsam eine Produktionsfirma zu gründen: Bady Minck ist zu dieser Zeit bereits eine international erfolgreiche Filmkünstlerin, Alexander Dumreicher-Ivanceanu arbeitet zuvor als Kritiker und Kurator. Zunächst noch ein Verein, der innovative Filme in die Kinos bringen sollte, wird daraus bald eine Firma, die kurze Zeit als Minotaurus Film operiert, bevor »Amour Fou« als Name feststeht. Anfangs ist sie noch hauptsächlich in Luxemburg aktiv, die Wiener Dependance kommt erst zu Beginn der Nullerjahre dazu.
Inzwischen ist die Amour Fou im europäischen Kontext ein Player, der – auch im Verbund mit anderen nationalen oder internationalen Produktionsfirmen – künstlerisch herausragende Filme, die vor allem vom Willen zur eigenen Handschrift geprägt sind, mit auf die Welt bringt. Schon die ersten Arbeiten – etwa Virgil Widrichs FAST FILM oder Bady Mincks IM ANFANG WAR DER BLICK – gewinnen Preise auf renommierten Festivals, es folgen nicht minder Aufsehen erregende Filme wie György Pálfis bizarrer TAXIDERMIA oder Anja Salomonowitz’ formal wie inhaltlich radikaler KURZ DAVOR IST ES PASSIERT. Nach internen Umstrukturierungen wird es kurzzeitig etwas ruhiger, bis mit HANNAH ARENDT unter der Regie von Margarethe von Trotta ein prestigeträchtiger Arthouse-Erfolg entsteht. Darauf aufbauend entwickeln sich weitere über Österreichs Grenzen hinaus produzierte Titel wie Michael Sturmingers CASANOVA VARIATIONS, STYX von Wolfgang Fischer oder Evi Romens HOCHWALD. Mittlerweile hat man auch Europa hinter sich gelassen, was etwa YALDA von Massoud Bakhshi beweist.
Neben solchen groß angelegten Projekten haben Bady Minck und Alexander Dumreicher-Ivanceanu ihre Wurzeln allerdings nie vergessen: Bis heute bestimmen ambitionierte Genregrenzgänger, die Fragen nach dem Verhältnis zwischen Politik, Gesellschaft und Kunst auf anregende Weise neu zu denken wagen, das Hauptprogramm der Amour Fou. Diese Wege mit jedem Film aufs Neue zu beschreiten, dabei Risiken einzugehen und Herausforderungen nicht zu scheuen – das ist vielleicht jene leidenschaftliche, rasende Liebe zum Kino, die für die Namenswahl der Produktionsfirma maßgeblich war.
Die Retrospektive soll nichts weniger als eine Einladung sein, einige Schritte dieses Weges mitzugehen. Bei zahlreichen Vorstellungen werden die FilmemacherInnen ihre Arbeiten vorstellen. (Florian Widegger)