Retrospektiven
Geheimnisvolles Albanien
Einblicke in eine unbekannte Filmgeschichte
23.1.–5.2.2020
Albanien ist bis heute ein relativ unbekanntes Land. Südlich von Montenegro und nördlich von Griechenland gelegen, muss das »Land der Adler« – wie seine Einwohner es liebevoll nennen – seit der Zerstörung des Osmanischen Reiches ständig gegen neue Invasoren kämpfen. Als Spielball kriegsführender Mächte wechselt es von einer Besatzung zur nächsten. Erst 1944 wird Albanien von der faschistischen Fremdherrschaft der Nazis befreit, und Enver Hoxha errichtet eine Diktatur, die fast ein halbes Jahrhundert andauert.
Nach und nach schließen sich die Grenzen und das Land isoliert sich weitgehend. Ab 1947 entstehen mit Hilfe der Sowjetunion die ersten Filmproduktionen in Form von Dokumentationen, Wochenschauen und Berichten. 1952 wird das von den Russen gebaute Kinostudio (Kinostudioja Shqipëria e Re) eröffnet, und das Filmland Albanien erwacht. Zahlreiche FilmemacherInnen werden auf osteuropäische Universitäten geschickt, wo sie insbesondere technische Berufe lernen wie Kamera und Schnitt. In ihre Heimat zurückgekehrt, führen sie Regie. Trotz des starken Formalismus zugunsten der kommunistischen Propaganda entstehen in dieser Zeit Werke von sensibler Schönheit und feiner Poesie.
Als sich Albaniens Grenzen 1991 öffnen und die westliche Kultur und Wirtschaft mit einem Schlag eintreten, flieht ein Großteil der Bevölkerung ins Ausland. Die verbleibenden RegisseurInnen beginnen nun, in ihren Arbeiten Themen aufzugreifen oder Stilmittel zu benutzen, die vorher tabu waren. Es entstehen kritische Spiel- und Animationsfilme (ein Genre, das sich besonderer Beliebtheit erfreut), die die Politik Hoxhas und somit die jüngere Vergangenheit des Landes hinterfragen. Das Kino entwächst seiner Aufgabe als Propagandamittel im Dienst der Regierung und wird zu einem persönlichen wie künstlerischen Ausdrucksmittel.
Während die postkommunistischen Arbeiten endlich auf internationalen Filmfestivals vorgestellt werden und es erste europäische Koproduktionen gibt, werden die früheren Werke vor allem von der albanischen Diaspora etwas nostalgisch in kleinem Kreis gefeiert. Lange Zeit waren diese Filme unzugänglich, doch seit ein paar Jahren wird fleißig daran gearbeitet, sie auf die großen Kinoleinwände außerhalb des Landes zu bringen. Diese Filmschau leistet dafür einen ersten, großen Beitrag. (Louise Burkart)