Retrospektiven
HEIMATFILM
VON GRÜNEN TÄLERN, VERLORENEN SÖHNEN UND LETZTEN ZUFLUCHTEN
6.9.– 3.10.2018
Es kann der Ort sein, wo man geboren ist, oder der, wo frau voller Sehnsucht wieder hin will, wenn frau meint, dass es zu Ende geht. Es kann, im schlimmsten Fall, die letzte Zuflucht sein oder, im besten, das Tor zum Himmel, wenn man versucht, sich irgendwo niederzulassen, wo man und frau zu Hause sein möchten. Man kann den Sohn verlieren an Sie, so wie Sie selbst alles verlieren kann, was das Land an Ressourcen und Bodenschätzen, die Menschen an Gemeinschaftsgefühl und kultureller Identität bieten. Ohne Sie wird man schnell zum Outsider, zum Emigranten, zum obdachlosen Wanderarbeiter, zum ausgestoßenen Weibsteufel. Im Einklang mit Ihr bewährt man sich als einsamer Jäger und kann – von findigen Dorfbewohnern bekehrt – sogar zum Local Hero aufsteigen. In Ihrer Mitte steht ein Generationen übergreifender Holzschuhbaum, aber die italienische Pächterfamilie muss sich genauso vor dem Gutsherren fürchten, der meint, alles gehöre ihm allein, wie der Mann, der im amerikanischen Süden um seine Baumwollernte bangt, während sich die Besitzerin einer Plantage im bürgerkriegsgebeutelten Afrika um den Erhalt ihres Kaffeebohnenanbaus sorgt. Der, der indianisches Blut in sich trägt, versucht Sie zu verleugnen, wie jene zurückgezogen Lebenden inständig hoffen, dass das Fremde, Unheimliche nicht ihre intakte Dorfgemeinschaft ruiniert. Ihre Täler werden geflutet oder stehen im saftigen Grün, bis der Raubbau an der Landschaft beginnt. Den einen, 1933 vertrieben, ereilt Ihr Ruf, den er freudig annimmt, ein anderer will sich Ihrem Ruf so schnell wie möglich entziehen und das triste schottische Bergarbeiterstädtchen hinter sich lassen.
Auf der Lebenslinie gibt es zwei Variablen: »No Resting Place« auf der einen, »Where I Belong« auf der anderen Seite. Irgendwo dazwischen liegt Sie – die Heimat. (Brigitte Mayr, Michael Omasta)