Retrospektiven
V'19: Der weibliche Blick
Die Wiederentdeckung der Filme von Louise Kolm-Fleck
27.10.–1.11.2019
Die Regiearbeiten von Louise Kolm-Fleck geschehen in Zusammenarbeit mit ihrem zweiten Mann Jakob Fleck. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten erkämpft sie die Freilassung des »rassisch« Verfolgten aus dem Konzentrationslager und begleitet ihn ins Exil nach Schanghai. Hier gelingt es dem Ehepaar noch einmal, einen Film zu realisieren. Im österreichischen Nachkriegsfilm kommen sie nicht mehr zu Wort.
In der vom Filmarchiv Austria kuratierten ersten Werkschau wird das bisher weitgehend unbekannte Schaffen Louise Flecks aus der Spätphase des Stummfilms gezeigt. Die meisten dieser Produktionen galten bislang als verschollen. In einer internationalen Recherche ist es dem Filmarchiv Austria gelungen, vornehmlich in Frankreich, aber auch in Dänemark, der Schweiz und Deutschland verborgene Schätze zu heben und in Neurestaurierungen verfügbar zu machen.
Das Außergewöhnliche an diesen für die Berliner Hegewald-Film hergestellten Produktionen ist die Fokussierung auf das Schicksal der Protagonistinnen. Sie zeigen eine spezifisch weibliche Handschrift, die als der originäre Beitrag Louise Kolm-Flecks gewertet werden kann. Dies kündigt sich schon in frühen Werken wie etwa DIE AHNFRAU (1919) an, deren filmische Umsetzung die Sicht der weiblichen Akteurinnen weit stärker herausarbeitet als das Grillparzer’sche Original. Nie aber kommt diese Hinwendung zu spezifisch weiblich konnotierten Themen in ihren gesellschaftlichen Implikationen so prononciert zum Ausdruck wie in der Blütezeit der Weimarer Republik.
Mit Filmen über Vergewaltigung, Abtreibung oder Impotenz greift Louise Kolm-Fleck kontroversielle Fragen auf, die sie mit einer radikalen Kompromisslosigkeit beantwortet. Das Aufzeigen der begrenzten Handlungsspielräume ihrer Protagonistinnen in einer von Männern dominierten Gesellschaft ist von erstaunlicher Modernität. Und auch in formaler Hinsicht ist die damals bereits über 50-Jährige auf der Höhe der Zeit. Sie versteht ihre Geschichten meisterhaft umzusetzen und beherrscht die von der filmischen Avantgarde entwickelten Stilelemente souverän. Die oft entfesselte Kamera, der Einsatz von Überblendungen und Großaufnahmen oder ein herausragendes American Lighting sind nicht bloß ornamentale Bravour, sondern dienen einem ökonomischen Erzählen. Das Werk einer beeindruckenden Filmkünstlerin, die es neu zu bewerten gilt. (Nikolaus Wostry)
Zum Thema hat Uli Jürgens das Buch Louise, Licht und Schatten herausgebracht, das die faszinierende Biografie der Filmkünstlerin Louise-Kolm Fleck näher beleuchtet.