Retrospektiven
V'24 Out of the Spotlight: Helene Thimig
(K)Eine Filmkarriere
17.10.–1.12.2024
Eigentlich hätte alles anders kommen sollen: Obwohl Helene Thimig am 5. Juni 1889 in eine Theaterfamilie hineingeboren wird, versucht Vater Hugo, das älteste von insgesamt vier Kindern, seine einzige Tochter, um jeden Preis vom »Theaterteufel« fernzuhalten – vergebens. Beim ersten Vorsprechen mit 17 bei Hedwig Bleibtreu wird sie mit den Worten »Es reicht höchstens für die Provinz« abgekanzelt. Kurz bevor sie zwei Jahre später ihr erstes Engagement am Hoftheater in Meiningen antreten soll, wird dieses bei einem Brand zerstört. Auch die ersten Kritiken erweisen sich als ablehnend. Holpriger kann eine Karriere eigentlich kaum beginnen.
Trotzdem versteht es Helene Thimig schon sehr früh, das Publikum mit ihrer Natürlichkeit und ihrem Witz auf ihre Seite zu ziehen. Sie gilt bald als Gestalterin »wundervoller Menschenbilder«. In Berlin trifft sie schließlich auf Max Reinhardt – der Beginn eines weiteren Lebens- und Arbeitsabschnitts. Auf der Bühne feiert sie große Erfolge, im Kino spielt sie 1930 in Gustav Ucickys MENSCH OHNE NAMEN an der Seite von Werner Krauß, und obwohl sie nur wenige Minuten auf der Leinwand zu sehen ist, zieht sie darin alle Register.
1933 folgt sie ihrem Partner in die USA – doch zunehmend werden aus den erst noch privilegierten Gästen gewöhnliche Flüchtlinge. In Hollywood gründen sie den Max-Reinhardt-Workshop, eine Art Schauspielschule mit angegliedertem Theater, doch die großen Pläne zerschlagen sich. Während Reinhardt in New York versucht, Geldgeber für seine Ideen zu finden (und sich dabei immer mehr verschuldet), bleibt Helene Thimig zurück, um Geld zu verdienen. Bert Brecht beschreibt sie als »müden, abgearbeiteten Todesengel«. Bei den meist kleinen Filmauftritten, mit denen sie sich über Wasser hält, reicht es oft nicht einmal zur Nennung in den Credits.
Nach Reinhardts Tod und dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrt sie zurück nach Österreich, wo sie auf der Bühne bald wieder an alte Erfolge anschließt und als Pädagogin, Regisseurin und Schauspielerin die künstlerischen Leitsätze ihres Mannes weiterträgt. Dem Film wird sie, mit kleinen Ausnahmen, recht schnell wieder abhandenkommen. Bereichert hat sie ihn, wohl eher widerwillig, durch äußere Umstände gezwungen, mit der sorgfältigen Gestaltung ihrer Rollen – unabhängig von deren Größe, die selbst dann in Erinnerung bleiben, wenn sie nur kurz durchs Bild huscht. (Florian Widegger)