Retrospektiven
Wohlbrück & Walbrook
Schauspieler, Gentleman, Emigrant
11.11.–1.12.2021
Adolf Wohlbrück wird am 19.11.1896 in Wien in eine aus Preußen stammende Familie mit jahrhundertealter Schauspiel- und Zirkustradition hineingeboren. Seine ersten Theatererfahrungen macht er 1915 unter Max Reinhardt, in den 1920er-Jahren brilliert er an den Bühnen von München, Dresden und Berlin. Der Stummfilm ist trotz einiger Nebenrollen nicht sein Metier, zum Hauptdarsteller und Star wird er erst im Weimarer Tonfilm. Und er bleibt dies im nationalsozialistischen Kino – trotz seines unvollständig eingereichten »Ariernachweises« (nach NS-Gesetzgebung galt Wohlbrück mindestens als »Vierteljude«) und seiner in Filmkreisen bekannten Homosexualität.
Wohlbrück glänzt Mitte der 1930er-Jahre in Liebeskomödien und Krimis, später auch in Abenteuer- und Actionfilmen. Seine Paraderollen sind aber von Anfang an die eleganten und unterkühlten Liebhaber, die oft einem aristokratischen Milieu entstammen. 1933 spielt er in der Travestiekomödie VIKTOR UND VIKTORIA »Londons berühmtesten Frauenkenner«, ein Jahr später den Rechtsanwalt Brent in DIE ENGLISCHE HEIRAT. Es sind Rollen, die aus heutiger Sicht Wohlbrücks zweite Karriere in Großbritannien erahnen lassen. 1937 geht er nach London, nennt sich Anton Walbrook und startet – was in jener Zeit nur wenigen emigrierten Schauspielern gelingt – eine internationale Karriere. Fortan diversifiziert sich sein Rollenspektrum, die Figuren werden abgründiger, und in der Zusammenarbeit mit Michael Powell und dem ebenfalls exilierten Emmerich Pressburger entstehen denkwürdige Meisterwerke des britischen Kinos wie THE LIFE AND DEATH OF COLONEL BLIMP (1943) oder THE RED SHOES (1948).
Im europäischen Kino der Nachkriegszeit verkörpert Walbrook oftmals elegante, undurchsichtige Gentlemen, Adlige und Würdenträger. Allerdings ist er nur noch selten im Kino zu erleben, sondern spielt ab Anfang der 1950er-Jahre vor allem Theater. Beinahe wäre er, als er 1967 während einer Vorstellung in München auf der Bühne zusammenbricht, einen jener Tode gestorben, die für viele Schauspieler Traum und Albtraum zugleich sind. Wohlbrück erholt sich nicht mehr. Kurze Zeit später, am 9. August 1967, stirbt er am Starnberger See. (Frederik Lang/Brigitte Mayr/Michael Omasta)