Retrospektiven
Im Banne des Unheimlichen
Mit Edgar Wallace im Kino
4.2.–2.3.2022
Als Edgar Wallace am 10. Februar 1932 in den USA während der Arbeiten zu seinem wohl berühmtesten Werk KING KONG (1933) an den Folgen einer undiagnostizierten Diabetes verstarb, war er der populärste Autor Großbritanniens. Angeblich entstammte jedes vierte bis fünfte dort verkaufte Buch seinen legendären Phonographdiktaten. Zur gleichen Zeit war Wallace im deutschsprachigen Raum ebenfalls ein Bestsellerautor, dessen Stil Epigonen en masse imitierten und dessen Werke seit den späten Stummfilmtagen für das hiesige Kino adaptiert wurden.
Genau 30 Jahre später erreichte mit Alfred Vohrers DAS GASTHAUS AN DER THEMSE die Nachkriegs-Wallace-Welle ihren kommerziellen Höhepunkt: Rund 3,6 Millionen Zuschauer sahen 1962 den zwölften Film jener Reihe, die drei Jahre zuvor mit der dänisch-bundesdeutschen Koproduktion DER FROSCH MIT DER MASKE unter der Regie von Harald Reinl ihren Anfang nahm und den europäischen Kriminalfilm der 1960er wie kein anderer vergleichbarer Genrezyklus jener Ära definierte.
Man hat sich inzwischen daran gewöhnt, die Edgar-Wallace-Filme samt ihrer Epigonen und Ableger (Bryan-Edgar-Wallace-, Louis-Weinert-Wilton-, James-Hadley-Chase-, Mabuse-Filme etc.) als etwas Eigenständiges, Singuläres, für die BRD und Österreich populärkulturell Spezifisches zu sehen, was primär an ihrer TV-Verkultung liegt. Doch wer hätte DAS INDISCHE TUCH (1963) oder DIE GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS (1964) je im Kino gesehen, mit farbigem Vorspann und im korrekten Format? Oder um den Blick zu weiten: Wer hätte je Carl Lamacs HEXER von 1932 mit Vohrers 1964er-Version verglichen, oder DER ZINKER (1931) mit DER FROSCH MIT DER MASKE (beide nach Drehbüchern des Österreichers Egon Eis), oder gar DAS GASTHAUS AN DER THEMSE mit Maurice Elveys THE RETURN OF THE FROG (1938), einer Verfilmung desselben Romans, produziert allerdings als Fortsetzung von Jack Raymonds THE FROG (1937)?
Zum 90. Todestag von Edgar Wallace wollen wir genau das tun: Den BRD-Zyklus neu entdecken, indem wir ihn mit anderen Verfilmungen der Stoffe vergleichen. Dabei haben wir uns auf die reichsdeutsch-österreichisch-tschechoslowakische Serie der Ondra-Lamac-Film sowie auf eine lose Reihe von britischen Verfilmungen der 1930er-Jahre konzentriert. Die Retrospektive bietet darüber hinaus auch die Chance, einige Filme in unterschiedlichen Sprach- und Schnittfassungen zu entdecken – und all das trotz dürftiger Ausgangslage zumeist von 35mm-Filmkopien aus der Zeit! (Olaf Möller, Florian Widegger)