Retrospektiven
Ingeborg Bachmann
Zum 50. Todestag
12.9.–17.10.2023
DI 17.10.: Das Museum geht ins Kino DREI WEGE ZUM SEE
Im August 1954 ist Ingeborg Bachmann zum ersten Mal eine Titelstory im deutschen Spiegel gewidmet. Damals ist die Autorin erst 28 Jahre alt und hat kurz davor mit ihren Gedichten auf der Tagung der Gruppe 47, einem Literaturtreffen ähnlich dem später gegründeten Bachmann-Preis, den Hauptpreis erhalten. Ab nun steht sie im Blickpunkt des medialen wie öffentlichen Interesses: Wichtige Auftritte der Autorin werden im Fernsehen übertragen, sie selbst wird spätestens ab Mitte der 1960er-Jahre Gegenstand verschiedener dokumentarischer Porträts – und damit ihr eigenes Bild in der Öffentlichkeit mitbestimmen.
Bis ihre Arbeit sich auch auf die Fernsehschirme bzw. Kinoleinwände übersetzt, dauert es allerdings einige Zeit. Erste Pläne, ihr preisgekröntes Hörspiel Der gute Gott von Manhattan Anfang der 60er zu adaptieren, verlaufen im Sand. 1970 entsteht mit dem Fernsehfilm BLAUES WILD nach der Erzählung Unter Mördern und Irren die erste Filmumsetzung – ohne Beteiligung und nicht gänzlich zur Zufriedenheit der Autorin. Auch an der 1972 realisierten Umsetzung des Manhattan-Texts für das ZDF wirkt sie nicht mit, und das Vorhaben, einige Erzählungen mit dem Regisseur Wolfgang Glück zu verfilmen, wird durch ihren Tod jäh zunichtegemacht. 1976 erscheinen mit DAS GEBELL von Glück und DREI WEGE ZUM SEE von Michael Haneke gleich zwei TV-Produktionen, die auf positive Resonanz stoßen. Bald darauf nimmt Margareta Heinrich in ihrem Kurzfilm ZWIELICHT Bezug auf eine Bachmann-Erzählung. Obwohl ihre Texte nicht einmal als »unfilmisch« gelten, verebbt das Interesse an Bearbeitungen rasch wieder.
Die Kinoleinwand erreicht sie erst mit Werner Schroeters MALINA (1991) nach einem Drehbuch von Elfriede Jelinek, der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wird, aber auch für kontroverse Diskussionen vor allem innerhalb der Bachmann-Forschung sorgt: Der Film konstruiert und unterstreicht autobiografische Zusammenhänge, die so wohl nicht im Sinn der Romanautorin waren, lautet der Einwand. 1992 verfilmt Heinrich mit IHR GLÜCKLICHEN AUGEN eine weitere Erzählung, die optische Ähnlichkeit der Hauptdarstellerin mit der Schriftstellerin dürfte ebenfalls nicht rein zufällig sein: Was den (filmischen) Diskurs um Ingeborg Bachmann zu dieser Zeit betrifft, sind Person und Werk untrennbar miteinander verknüpft. Erst Arbeiten von Ludwig Wüst oder Ruth Beckermann nähern sich der Autorin aus neuen, spannenden Blickwinkeln an. Während Bachmanns Texte also die Zeit überdauern, bleibt den meisten filmischen Bearbeitungen ihre Entstehungszeit in vielerlei Hinsicht eingeschrieben. (Florian Widegger)