Retrospektiven
Kino der Inseln
Griechische Filme von 1960 bis heute
5.5.–31.5.2023
»Brichst du auf gen Ithaka, wünsch dir eine lange Fahrt, voller Abenteuer und Erkenntnisse.« (Konstantin Kavafis) Anstelle eines roten Fadens, der sich durch alle Filme zieht, eröffnet sich bei diesem filmischen Insel-Hopping eine kaleidoskopische Perspektive: Von einer Etappe zur anderen, von einer Insel zur nächsten begegnen uns vielfältige Filmansätze, die ein Netz überraschender Querverweise und Bezüge knüpfen und die Geschichte des Landes über sechs ereignisreiche Jahrzehnte differenziert skizzieren.
1960, im »Startjahr« der Retrospektive, noch eine von den Wunden des Bürgerkriegs gezeichnete Monarchie, fällt Griechenland 1967 in die Hand der Obristen und wird zur brutalen Militärdiktatur, die 1974 zusammenbricht. Das Land kehrt zur Demokratie zurück und wird 1981 Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Nach 30 Jahren trügerischen Wohlstands folgt eine gewaltige Wirtschaftskrise, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind.
In diesen 60 Jahren hat sich Griechenlands stark traditionelle Lebensweise und patriarchalische Gesellschaftsstruktur bedeutend gewandelt. Die Entstehung des Tourismus hat, im Guten wie im Schlechten, wesentlich zu diesen Veränderungen beigetragen, wobei die Inseln davon am heftigsten betroffen sind. Der Eröffnungsfilm MADALENA, der Kurzfilm THIRAIKOS ORTHROS, die Dokumentation STO SOMA TIS und der Spielfilm SUNTAN setzen sich mit den Auswirkungen dieses Wandels auf unterschiedliche Art und Weise auseinander.
Filme wie PARVAS, AGONI GRAMMI, TRUE BLUE und FOURNOI, MIA GYNAIKEIA KOINONIA erforschen dagegen mit einem ethnografischen Blick Phänomene wie die Entvölkerung der Inseln, das hohe Alter der Bewohner oder spezifische Gesellschaftsstrukturen. Ihre Geburtsinsel wird für manche FilmemacherInnen zum Ort der Sehnsucht und der Erinnerung: APONTES und TO DENDRO POU PLIGONAME verarbeiten dezidiert autobiografische Erlebnisse. Eine Insel kann allerdings auch Zufluchtsort sein wie in MAGNITIKA PEDIA, ein Ort des Schreckens und des Eingeschlossenseins wie in HAPPY DAY, eine Utopie wie in TAXIDI STA KYTHIRA. Neben historischen und visuellen Eindrücken bleibt vor allem aber auch die großartige Filmmusik mit ihren längst zu Klassikern gewordenen Melodien voller Leidenschaft und Lebensfreude – gewissermaßen zum Mit-nach-Hause-Nehmen. (Maria Giovanna Vagenas)