Retrospektiven
Krzysztof Zanussi
Eine Hommage zum 80.
3.10.–6.10.2019
Film und Kino sind nicht die erste Wahl des am 17. Juni 1939 in Warschau geborenen Zanussi – zumindest hat es den Anschein, wenn man einen Blick auf seine Biografie wirft. Zuerst studiert er Physik in Warschau, später Philosophie in Krakau, bevor es ihn an die berühmte Filmschule in Łódź zieht, wo bereits Größen wie Andrzej Wajda, Roman Polanski oder Andrzej Munk ihre Ausbildung erhielten. Mit seinem Abschlussfilm ŚMIERĆ PROWINCJAŁA (1966) macht er international von sich reden, sein Langfilmdebüt STRUKTURA KRYSZTAŁU (1969) reflektiert anhand zweier unterschiedlicher Charaktere, die sich nach vielen Jahren wiedersehen, die Spaltung des Landes. Der Filmpublizist Kornel Miglus schreibt: »Zanussis Helden sind verunsichert, schon am Anfang ihres Weges. Sie vertrauen nicht dem gesellschaftlichen Status quo, hinterfragen Gegebenheiten und Parolen. Zanussis Filme spannen eine philosophische Welt auf. Die großen Fragen der Aufklärung und Menschheit bestimmen ihre Erzählungen: Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was kann ich wissen? Und – was ist der Mensch?«
Diesen Fragen spürt er unermüdlich auch in seinen nächsten Filmen nach, wobei sein dritter Kinofilm ILUMINACJA (1973) eine Schlüsselposition einnimmt. Anhand seiner autobiografisch geprägten Hauptfigur, einem Studenten der Philosophie und Naturwissenschaften, verhandelt er in formal anspruchsvollen Bildcollagen abermals wissenschaftliches Ethos, Verantwortung und Moral. Auf dem Filmfestival in Locarno erhält der Film den Goldenen Leoparden. Zanussi wird von nun an als polnischer Godard gehandelt und reüssiert auf allen großen Festivals. Für seinen Film CONSTANS wird er 1980 in Cannes auf dem Höhepunkt seiner Karriere mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Zanussi und andere Vertreter des »Kinos der moralischen Unruhe« weckten mit ihren Filmen bei den Menschen im Sozialismus Hoffnung auf Veränderung und bereiteten den geistigen Weg zur Entstehung der Freiheitsbewegung Solidarność im Jahre 1980 vor. Er selbst versteht seine damaligen Filme als »Vox populi«, als »Stimme des Volkes«: Die späteren Aufführungsverbote und die Zensur waren einerseits ein Beweis für die Bedeutung des Kinos, andererseits zeigten sie die Angst der Machtinhaber vor der Kunst des Kinos.
In seinem jüngsten Film ETER (2018), der anlässlich dieser Hommage seine Österreich-Premiere feiert, greift Zanussi einmal mehr auf die große Frage zurück, die er in seinem Werk unablässig stellt, und mahnt: »Der Mensch muss sehr wachsam sein und darauf achten, dass er nicht moralisch abgleitet, in Gebiete, in denen aus einem guten, anständigen Menschen ein Monster wird.« (Florian Widegger)