Retrospektiven
V'23: Keine Angst!
Österreichisches Kino der 80er-Jahre
24.10.–29.11.2023
Anfang der 1980er-Jahre befindet sich der österreichische Film in einer Umbruchphase. Mit der Einführung der Filmförderung verschwinden die teils autodidaktischen »Austrian Auteurs« der 70er, denen wir 2020 bereits einen ausführlichen Schwerpunkt gewidmet haben. An ihre Stelle tritt eine Generation »professioneller« FilmemacherInnen, die ihr Handwerk an der Akademie erlernt haben. Zusätzlich etabliert sich insbesondere in urbanen Räumen eine junge Szene an Programmkinos und Festivals, die die Filmkultur ganz generell bereichern und dafür sorgen, dass die österreichischen Produktionen auch zum Publikum finden.
Die insgesamt 15 Arbeiten, die wir im Rahmen dieser Schau präsentieren, stellen eine Art Zustandsbeschreibung des Landes dar, das sich in diesem Jahrzehnt grundlegend wandelt: Der AKH-Skandal oder die Lucona-Affäre zeigen, wie Politik und Verbrechen miteinander verbandelt sind, einerseits konfrontiert die Bundespräsidentschaft des unbelehrbaren Kurt Waldheim das Land gehörig verspätet mit der Schuldfrage im Nationalsozialismus, andererseits kokettiert im Süden ein aufstrebender Politstar unverblümt mit dessen Parolen, und eine Dekade SPÖ-Alleinregierung unter Bruno Kreisky geht zu Ende. Wohlstandverlust, sozialer Abstieg, Außenseitertum und die eigene Ohnmacht gegenüber dem System, das Gefühl, nichts beitragen zu können und langsam, aber sicher unter die Räder zu kommen, sind Themen, die in der Luft liegen und mit denen sich die FilmemacherInnen auseinandersetzen.
»Die Welt, wo ich sein sollte, ist nicht hier«, stellt Rock-Poet Hansi Lang in ICH ODER DU fest, eine Ballade über ländliche Tristesse und urbanen Grind. Unangepasste finden weder hier noch dort einen Platz. Ausgehend von den Öko- und Friedensbewegungen entwirft Käthe Kratz in ATEMNOT eine kleine Utopie, die den Film auch im Lichte heutiger Proteste um gerechte Ressourcenverteilung und Klimaschutz spannend macht. Vor dem wiedererstarkenden Neonazismus warnt Walter Bannert in DIE ERBEN, während Franz Novotny in DIE SPITZEN DER GESELLSCHAFT ebendiese genüsslich aufs Korn nimmt. Und während in Gerald Kargls »Home Invasion« ANGST der Angriff auf Besitz und Leben durch einen Serienmörder minutiös nachgezeichnet wird, bleibt der Familie in Michael Hanekes Kinodebüt DER SIEBENTE KONTINENT als einziger Ausweg für ihr unerfülltes Dasein nur die mindestens genauso detailliert nachgezeichnete Selbstauslöschung. Gerade in unserer von multiplen Krisen erschütterten Zeit erscheint der Blick zurück in die 80er lohnend und erschreckend zugleich: Die Ängste von damals, sie sind heute aktueller denn je. (Florian Widegger)