Retrospektiven
WIM WENDERS
Weltreisender
10.1.–28.2.2019
Wim Wenders’ Schaffen ist geprägt von einer erstaunlichen Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit. Zu Beginn seiner Laufbahn zieht es ihn zur Malerei, und erst über die Fotografie hin zum bewegten Bild. Nach einem längeren Aufenthalt in Paris geht er 1967 nach München an die HFF, wo eine ganze Generation gegen »Papas Kino« rebelliert. Er verfasst einige der spannendsten Texte in der Zeitschrift Filmkritik, in denen er seinen Leidenschaften Kino und Musik gleichermaßen Raum gibt. Sie bilden den Ausgangspunkt für seine ersten eigenen Arbeiten: Wenders spürt den Songs von Van Morrison, The Kinks oder Bob Dylan nach und begibt sich dabei auf die Suche nach Bildern – ein Leitmotiv in seinem gesamten Schaffen.
Nach seinem internationalen Erfolg mit DER AMERIKANISCHE FREUND (1977) ereilt Wenders der Ruf von Francis Ford Coppola nach Hollywood, wo er mit der Produktion von HAMMETT in seinen eigenen Augen Schiffbruch erleidet. Aus diesem Scheitern schöpft er allerdings große Kraft. Die zerstörerische Beziehung zwischen Regisseur und Produzent verarbeitet er zunächst noch in DER STAND DER DINGE, bis er mit PARIS, TEXAS 1984 ein Roadmovie schafft, wie es das vorher noch nicht gegeben hat, und einen Film über Amerika, wie ihn nur ein Außenstehender machen konnte. Wenders kehrt nach Deutschland zurück, wo er nach DER HIMMEL ÜBER BERLIN sein wohl ambitioniertestes Projekt in Angriff nimmt: BIS ANS ENDE DER WELT ist eine Mischung aus Science-Fiction, Thriller und Liebesgeschichte und kommt zunächst nur stark gekürzt ins Kino. Erst im knapp fünfstündigen Director’s Cut offenbaren sich die Qualitäten dieses ein neues Jahrtausend ankündigenden Films. Mitte der 1990er-Jahre zieht es ihn erneut in die USA. Diesmal muss er sich nichts mehr beweisen, deshalb wirken die Filme entspannt, obwohl sie nichts an Dringlichkeit eingebüßt haben.
Zu Beginn des neuen Jahrtausends könnte es für Wim Wenders nicht besser laufen. Sein BUENA VISTA SOCIAL CLUB lockt die Massen ins Kino und infiziert sie mit dem Rhythmus und Lebensgefühl des Son Cubano, aus einem damals noch weitgehend abgeschotteten Land. Und mit THE MILLION DOLLAR HOTEL steht ein mit Hollywoodstars besetzter Spielfilm in den Startlöchern, der auf der Berlinale 2000 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wird und zudem eindrücklich demonstriert, dass Wenders nicht immer die Fläche, die Straße und das Weite benötigt, sondern auch einen verhältnismäßig engen Raum zu nutzen weiß, um seine Geschichten zu erzählen. In den beiden Folgeprojekten bleibt er seiner Liebe zur Musik treu: Ein ungewöhnliches Porträt der Kölner Rockband BAP, VIEL PASSIERT, realisiert er ebenso wie eine Hommage an den Blues, THE SOUL OF A MAN, für Martin Scorseses Filmreihe. Insbesondere im dokumentarischen Bereich reüssiert Wenders zunehmend. Sein opulenter 3D-Tanzfilm PINA über Pina Bausch erhält zahlreiche Preise, ebenso wie sein intimes Fotografenporträt DAS SALZ DER ERDE über den Brasilianer Sebastião Salgado. Und welcher Regisseur kann schon von sich behaupten, vom Vatikan eingeladen worden zu sein, einen Film mit dem Papst zu drehen? Wenders stellt sich dieser Herausforderung und meistert sie in PAPST FRANZISKUS – EIN MANN SEINES WORTES mit Bravour. (Florian Widegger)
Zahlreiche Filme der Retrospektive werden erstmals in Österreich in restaurierten Fassungen zu sehen sein, darüber hinaus werden zwei aufschlussreiche Dokumentationen über Wenders’ Anfänge und seinen langjährigen Kameramann Robby Müller gezeigt. Die zweiteilige Schau wird im Februar 2019 fortgesetzt.