Retrospective
60 Jahre Lisa Film
Vielschichtige Geschichte(n)
7.6.–22.6.2024
Besonders findige Zeitgenossen werden bei dieser Ankündigung natürlich stutzig: Hat das Filmarchiv Austria nicht erst 2017 ein halbes Jahrhundert Lisa Film gefeiert? Wie kann es da sein, dass sieben Jahre später schon wieder eine Dekade voll ist? Die Antwort findet sich in den Geschichtsbüchern: 1967 übernahm Produzent Karl Spiehs die Anteile seines Partners und Firmengründers, der Bühnenlegende Paul Löwinger, der die Firma wiederum 1964 aus der Taufe hob und anfangs mit nur mäßigem Erfolg führte. Erst mit dieser Übernahme erhalten die Produktionen der Lisa Film ihre unverwechselbaren Merkmale: Familienfreundliche Unterhaltung mit Herz, mit alten Hasen und aufstrebenden Talenten, die gerne ihre musikalische Ader zum Besten geben einerseits, Genrekost der etwas härteren Gangart, die auch ein wenig auf der aufkommenden Sexwelle surft andererseits. Eine Mischung, die aufgeht und die Lisa Film mit ihren an die 400 Produktionen zu einem der wesentlichen Player der folgenden Jahrzehnte im deutschsprachigen Raum macht.
Den runden Geburtstag nehmen wir zum Anlass, einen etwas anderen Blick ins Firmenarchiv zu werfen und abseits der großen Kassenknüller und im Fernsehen auf- und abgespielten »Klassiker« jene Filme ins Licht der Projektorlampe zu holen, die selten bis gar nie zu sehen waren (in einem Fall handelt es sich sogar tatsächlich um eine fast 30 Jahre verspätete Kinopremiere) – ja, geradezu als apokryph im Kontext der Lisa Film gelten können. Vom frühen, klassischen Heimat-Melo (das noch unter der Federführung Löwingers entstand) über ein herausstechendes, weil nahezu fassbinderesk-ambitioniertes Künstlerdrama bis hin zum Versuch, sich am umsatzträchtigen Actionmarkt made in Hongkong zu beteiligen reicht die Bandbreite an Kuriosa. Dazwischen immer wieder auch die Haus- und Hoffilmer, die das Werkl am Laufen halten: Zu Beginn sind das vor allem August Rieger und Rolf Olsen, in späteren Jahren Dieter Pröttel, Holm Dressler, Franz Josef Gottlieb und – im Rahmen der Wild Friday Night vertreten – Siggi Götz.
Mehr noch als die Filme ist die Geschichte der Lisa Film bewundernswert, die sich den Veränderungen am Markt (das große Kinosterben Ende der 1960er-, das Aufkommen von Privatfernsehen Ende der 1980er-Jahre) anzupassen wusste, dabei aber im Grunde genommen ihrem »Markenkern« treu geblieben ist: möglichst breitenwirksame Unterhaltung für die ganze Familie zu schaffen. Heile-Welt-Kino, das frei ist von den großen gesellschaftspolitischen Themen. Und natürlich ein bisschen »Holiday am Wörthersee«. Auf die nächsten 60 Jahre! (Florian Widegger)