Retrospective
Bernhard Wicki
Schauspieler/Regisseur
11.9.–16.10.2019
»ICH KANN NUR DAS TUN, WAS ICH ALS DAS WAHRE EMPFINDE.«
Bernhard Wicki
Gleich zu Beginn von Wickis Laufbahn, als er mit knapp 19 Jahren ans Schauspielhaus Berlin zu Gustav Gründgens kommt, steht eine Zäsur: Als Mitglied einer kommunistischen Jugendschaft wird er von den Nazis mehrere Monate lang im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Die schrecklichen Erlebnisse dort prägen den jungen Mann für den Rest seines Lebens. Die deutsche Tragödie ist so untrennbar mit seinem späteren Werk verbunden wie seine antifaschistische Grundhaltung. Nach seiner Entlassung studiert er am Max Reinhardt Seminar in Wien Schauspiel und Regie. Erste Engagements lassen, obwohl weiterhin unter Beobachtung der Nazis, nicht lange auf sich warten, und so steht er noch vor Kriegsende in Zürich und Basel auf der Bühne.
Langsam wird auch das Kino auf Wicki aufmerksam. An der Seite von Maria Schell und unter der Regie Helmut Käutners gelingt ihm als jugoslawischer Partisanenführer Boro in DIE LETZTE BRÜCKE 1954 der Durchbruch. Käutner ist es auch, der ihm nach und nach das Regiehandwerk näherbringt, doch zunächst reüssiert er weiterhin als Schauspieler unter Größen wie Pabst, Staudte oder Jugert. Schon sein Debüt WARUM SIND SIE GEGEN UNS? (1958) wird als unsentimentaler Abgesang auf die Adenauer-Jahre gefeiert. Mit seinem zweiten Werk, dem bildmächtigen Antikriegsfilm DIE BRÜCKE (1959), setzt er sich ein Denkmal und sorgt über die Landesgrenzen hinweg für Furore. Während er mit der Wirtschaftswundersatire DAS WUNDER DES MALACHIAS (1961) nicht an diesen Erfolg anschließen kann, ist man indessen in Hollywood auf Wicki aufmerksam geworden. Für Darryl F. Zanucks D-Day-Spektakel THE LONGEST DAY (1962) dreht er die deutschen Passagen, in der Dürrenmatt-Adaption THE VISIT (1964) stehen Ingrid Bergman und Anthony Quinn vor seiner Kamera, und bei MORITURI (1965) geraten er und Marlon Brando aneinander. Glücklich wird er in der amerikanischen Filmwelt aber nicht.
Zum Zeitpunkt seiner Rückkehr in die BRD Mitte der 1960er-Jahre hat sich die Kinolandschaft verändert. Wicki – weder »Oberhausener« noch »Papas Kino« zugehörig – verbündet sich mit dem Fernsehen, um die Joseph-Roth-Verfilmung DAS FALSCHE GEWICHT (1971) zu realisieren. Doch die früheren Erfolge bleiben unerreicht. Als Darsteller veredelt er zahlreiche Filme und Serien, das so verdiente Geld steckt er wiederum in seine eigene Arbeit. DAS SPINNENNETZ (1989), ein in elf kräfteraubenden Jahren erkämpftes Herzensprojekt, wird schließlich zu seinem Vermächtnis und fügt die Fäden seines Schaffens auf gewaltige Weise zusammen: »Deutschland ist wohl mein Dreh- und Angelpunkt – ohne, dass ich es will.« Wicki stirbt mit 80 Jahren am 5. Jänner 2000 in München. (Florian Widegger)