Retrospective
Carlos Saura
Spanische Filmlegende(n)
7.12.2023–17.1.2024
Carlos Saura, geboren 1932 in Aragon, ist einer der bedeutendsten Regisseure Spaniens: ein Bindeglied zwischen Luis Buñuel und Pedro Almodóvar mit einem Werk von knapp über 50 Filmen, vom Oscar abwärts ausgezeichnet mit den wichtigsten Preisen. In früher Kindheit erlebt er die Wirren des Spanischen Bürgerkriegs (1936–1939), die sich tief in sein Bewusstsein einprägen und auch seine späteren Arbeiten beeinflussen. Über seinen älteren Bruder Antonio, der einer der berühmtesten spanischen Maler wird, erhält er als junger Mann Zutritt zu Künstlerkreisen und interessiert sich zunächst für Fotografie. 1952 schreibt er sich an der Filmhochschule ein, die ersten Kurzfilme sind geprägt von sowjetischen Klassikern wie auch vom Neorealismus, dem er in seinem Spielfilmdebüt LOS GOLFOS huldigt. Auch die Begegnung mit Buñuel, den er davon überzeugt, seinen VIRIDIANA (1961) wieder in Spanien zu drehen und damit für moralische wie politische Entrüstung sorgt, ist für den jungen Filmemacher einschneidend.
Nach und nach entwickelt Saura in den 1960er-Jahren einen radikal eigenen Stil und eine persönliche Ästhetik, was ihn zum interessantesten Vertreter seiner Generation macht und ein Grundproblem der Franco-Diktatur freilegt. So wie sie von der ideologischen Spaltung der Bevölkerung lange Zeit profitiert und alles daransetzt, den Zustand aufrechtzuerhalten, versucht sie auch, Einfluss auf die Filmproduktion zu nehmen. Mit der Öffnung in den 60ern hin zur Europäischen Gemeinschaft und zum Tourismus vergrößert sich allerdings ihr Toleranzbereich, und eine schwache Brise der Erneuerung weht durch das Land, von der Saura, sein Langzeitproduzent Elías Querejeta und sein langjähriger Drehbuchautor Rafael Azcona profitieren. Mit jedem Film lotet das Dreigespann die Grenzen des Sag- und Zeigbaren im Franquismus weiter aus und legt den Finger in die Wunden der Gesellschaft. Auf internationalen Festivals gefeiert, werden die Filme in der Heimat von den Rechten bekämpft.
Mit dem Ende der Diktatur wandelt sich auch Sauras Schaffen, doch sein großes Thema, die Ergründung des »Spanischen« an sich, verfolgt er bis ins hohe Alter. Als Dokumentarist und Essayist widmet er sich der Folklore, insbesondere dem Flamenco, und es scheint fast so, als wolle er mit manchen seiner späteren Arbeiten die immer noch spürbaren Klüfte in der spanischen Gesellschaft überwinden. Das mag diesen etwas von der Schärfe seiner früheren Filme nehmen, im Kern bleiben sie aber allein dadurch nicht weniger politisch. Wunderschön anzusehen, ja mitreißend, sind sie sowieso. (Florian Widegger)