Retrospective
Doris Dörrie
Leben, Schreiben, Kino
17.3.–26.4.2023
Eintritt frei
»Schreib los!«, lautet der erste Rat, den Doris Dörrie den TeilnehmerInnen ihrer Workshops mit auf den Weg gibt. Zehn Minuten, ohne innezuhalten und nachzudenken, sich einfach treiben lassen, die Angst und den inneren Zensor überwinden. Wer es einmal probiert, stellt fest, dass das am Anfang gar nicht so einfach ist, und die Buchstaben erst mit der Zeit zu fließen beginnen. Die Leichtigkeit, mit der Doris Dörrie bereits seit vielen Jahren – sei es als Unterrichtende an der HFF München, wo einst ihre künstlerische Laufbahn begann, oder während der Pandemie über die sozialen Netzwerke – die Lust am Schreiben vermittelt, zeichnet auch ihr filmisches Werk aus. Es ist geprägt von klugen Alltagsbeobachtungen, bunten Figuren und der unmittelbaren Verschränkung von Tragischem und Komischem. Im Kern erzählt sie von universellen Fragen nach Identität und Identitätssuche, vom Schein und Sein, vom Nicht-Perfekten: von Menschen, die ausbrechen wollen aus der eigenen Existenz und sich nach einer anderen sehnen. In ihren modernen HeldInnen-Reisen feiert sie – um es mit dem Titel einer ihrer Filme zu sagen – DIESES SCHÖNE SCHEISSLEBEN.
Nach einer USA-Reise und ihrer Studienzeit in München beginnt Dörries Karriere zunächst im Fernsehen, wo sie Dokumentar- und Kinderfilme inszeniert, erste Spielfilme laufen auch im Kino mit Erfolg. Doch mit MÄNNER gelingt ihr ein außerordentlicher Coup: Der Film wird mit fünf Millionen Zuschauern nicht nur in der BRD zum Überraschungserfolg und Dörrie plötzlich Deutschlands bekannteste Regisseurin.
Während das Land eine Fortsetzung herbeisehnt, unterläuft sie bereits mit ihrem nächsten, weitaus düstererem Film PARADIES geschickt diese Erwartungen und entwickelt dabei konsequent ihre ganz eigene Filmsprache weiter. Stillstand scheint ein Fremdwort – bis eine private Tragödie, der Tod ihres Ehe- und Kameramanns Helge Weindler, 1996 eine Zäsur bedeutet, die sie auch in ihrem künstlerischen Schaffen verarbeitet. Ihre Filme werden in weiterer Folge noch persönlicher und dank digitaler Technik noch direkter und intimer. Sie beginnt sich mit Zen-Buddhismus auseinanderzusetzen, entdeckt ihre Liebe zur japanischen Kultur neu, beginnt, ihre Erfahrungen als Professorin weiterzugeben und vieles mehr. Aufgeschlossen, neugierig, politisch und vor allem fähig, ihre Begeisterung zu teilen, ist Doris Dörrie – man verzeihe die Plattitüde – eine echte Powerfrau, die Kunst nicht für sich selbst macht, sondern uns alle damit inspiriert. (Florian Widegger)