Retrospective
Filmland Ukraine
Kino im Ausnahmezustand
12.5.–31.5.2022
»Lange vor der großflächigen russischen Invasion planten das Ukrainische Institut und das Filmarchiv Austria ein gemeinsames Programm. Jetzt, da unser souveränes, friedliches Land einem brutalen wie ungerechtfertigten Angriff ausgesetzt ist, sind wir unseren Partnern für die Unterstützung besonders dankbar, indem sie ukrainischen Filmen und ihren Künstlern eine Plattform bieten. Wir freuen uns, dass das Publikum im METRO Kinokulturhaus die Möglichkeit hat, die verschiedenen Regionen der Ukraine und ihre Menschen anhand dieser 16 Filme kennenzulernen. Gedreht von ukrainischen und internationalen RegisseurInnen, erzählen sie ergreifende Geschichten über allgegenwärtige Themen: vom Erwachsenwerden und dem Folgen der eigenen Träume bis hin zum Finden des eigenen Weges nach Hause, vom Neuanfang und von der künstlerischen Arbeit.«
Natalia Movshovych
Leiterin der Filmprogramme, Ukrainisches Institut, Kyjiw
Das Jahr 2014 stellt in vielerlei Hinsicht eine Zäsur in der Ukraine dar. Zu Beginn protestieren zigtausende Menschen am Unabhängigkeitsplatz in Kyjiw gegen den schwachen Präsidenten Janukowytsch, der eine westliche Ausrichtung des Landes in Richtung Europa verhindert. Wenig später folgt die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland und die Destabilisierung der Ostregionen, die seitdem nicht zur Ruhe kommen. Der Rest ist traurige Geschichte.
Das Jahr 2014 bildet auch den Ausgangspunkt für unsere – wenn man so möchte – Reise durchs ukrainische Kino. Es erscheinen zwei Arbeiten, die das Filmschaffen des Landes international aufs Parkett bringen: Während MAIDAN von Sergei Loznitsa, unbestrittenes wie streitbares Aushängeschild des ukrainischen Films, Bilder des Protests als wirkmächtiges Zeitdokument auf der großen Leinwand zelebriert, ist THE TRIBE ein packendes wie forderndes Gehörlosen-Drama, das auf zahlreichen Festivals reüssiert und als Allegorie auf die inneren Zustände der Ukraine gelesen werden kann. Obwohl beide Filme unterschiedlicher nicht sein könnten, eint sie gerade ihr enormer Wille zur Gestaltung. Dieses Streben nach formaler und inhaltlicher Geschlossenheit, nach einem künstlerisch untrüglichen Ausdruck und danach, den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen im Land gerecht zu werden, ist auch charakteristisch für die weiteren Filme dieser Retrospektive.
Das ukrainische Kino hat in diesen vergangenen acht Jahren einen immensen Qualitätsschub erfahren, der ihm auch international großes Ansehen gebracht hat. Es ist ein junges Kino, das die konstante Bedrohung und die daraus resultierende Unsicherheit auf vielschichtige und aufregende Weise reflektiert. Eines, das selbst im Angesicht der feindlichen Waffen nicht verstummt. (Florian Widegger)