Retrospective
Gustaf Gründgens
und der Film
14.11.–30.11.2023
Der Name Gustaf Gründgens ist aus der deutschen Theatergeschichte und -wissenschaft nicht wegzudenken. Er steht im Fokus diverser Monografien und Sammelbände, die sich mit seiner Biografie und seiner Karriere auf und hinter der Bühne auseinandersetzen. Was nicht außer Acht gelassen werden darf, ist sein filmisches Schaffen. Sein erster Film wurde 1930 in der Weimarer Republik uraufgeführt, im nationalsozialistischen Deutschland setzte er seine Karriere innerhalb dieses Mediums fort, bis er knapp 20 Jahre pausierte und sie 1960 mit zwei Filmen beendete.
Als Schauspieler und Regisseur lotete er die Möglichkeiten des Tonfilms aus, eignete sich Expertise an und arbeitete mit zahlreichen Ikonen des deutschsprachigen Kinos. Sein OEuvre umfasst 33 Filme, in Erinnerung geblieben ist er meist als fragwürdiger Charakter, wenngleich nicht nur Verbrecher, sondern auch politische Persönlichkeiten, charmante Beaus und Vaterfiguren zu finden sind. Die sinistre Ausstrahlung und den anziehend-abstoßenden Charme wurde er nur selten los, was dazu führte, dass Gründgens’ Beziehung zum Medium immer eine ambivalente blieb. In Interviews machte er – auch kurz vor seinem plötzlichen Tod – mitunter deutlich, dass seine Filmschurken an ihm klebten und wie wenig das Bild, das man von ihm (gehabt) habe, mit seiner Person zusammenpasse.
Nichtsdestotrotz hatte die Branche positive Aspekte und war lukrativ. Der deutsche Film profitierte von Gründgens und dieser wiederum vom deutschen Film. Seine Popularität steigerte sich, sein Bild wurde über die Landesgrenzen hinweg bekannt. Obwohl ihm weder Hitler noch Goebbels durchwegs wohlgesonnen waren und er aufgrund seiner homosexuellen Liebschaften selbst gefährdet war, zog er seinen Nutzen aus den Beziehungen zu NS-Größen und trug auf kultureller Ebene zu deren Erfolg bei. Propagandistische Inhalte wurden durch einen Teil seiner im NS-Staat entstandenen Filme in die Köpfe der ZuschauerInnen transportiert.
1941 sagte er sich nach der durch Goebbels erzwungenen Teilnahme am hetzerischen Propagandafilm OHM KRÜGER vom Film los und ließ sich erst wieder 1960 vor die Kamera locken. Obwohl es noch (halbherzige) Filmpläne gab, wurde FAUST sein letztes Werk. Die Zahl der Angebote, die er durchgehend erhielt, war dagegen immens – hätte er sie nur in Bruchstücken angenommen bzw. hätte alles realisiert werden können, hätte er die deutsche Filmlandschaft über Jahrzehnte mitgeprägt. (Kristina Höch)