Retrospective
Houchang Allahyari
Zum 80. Geburtstag
16.9.–13.10.2021
Seine Heimat gilt gemeinhin als »Wiege der Medizin«, und so sieht der gebürtige Teheraner, wie viele seiner Landsleute, auch seine Berufung auf diesem Gebiet und wird Arzt, konkret: Psychiater. Noch während er an verschiedenen Kliniken und vor allem in Strafanstalten wirkt, reift in ihm der Wunsch, Filme zu machen. Auf für damalige Verhältnisse extrem innovative Art und Weise verbindet er schließlich beide Bereiche in einem Therapieansatz und gründet mit seinen Schützlingen eine Filmgruppe. Erlebnisse und Erfahrungen aus dieser Zeit lässt Allahyari bis heute in seine Filme einfließen: Immer wieder erzählt er von zerbrechlichen Außenseitern, die in jungen Jahren völlig unvorbereitet mit einem System konfrontiert werden, das sich aus Brutalität und Repressionen speist, und die so buchstäblich durch den FLEISCHWOLF gedreht werden.
Da ist er seinem Vorbild Pier Paolo Pasolini, mit dessen Leben und Sterben er sich bereits in seinem ersten Langfilm auseinandersetzt und auf dessen Schaffen er immer wieder Bezug nimmt, nicht unähnlich. Houchang Allahyari ist bis heute aber Optimist. Der Gewalt gegen die Schwachen setzt er das unerschütterlich Gute entgegen: Sie sind nicht alleine auf dieser Welt, weil es Menschen gibt, denen ihr Schicksal nicht gleichgültig ist, denen Eitelkeit oder Egoismus fremd sind. Das prominenteste Beispiel in doppeltem Sinne ist sicherlich die 2018 verstorbene Wiener Flüchtlingshelferin Ute Bock. Allahyari, mit ihr auch familiär verbunden, widmet sich in drei Filmen der resoluten Kämpferin für Zivilcourage und Solidarität.
In den letzten Jahren hat Allahyari nach langer Zeit seine erste Heimat wieder besucht und sie auch filmisch auf unterschiedlichste Weise erkundet. Ob in Spiel- oder Dokumentarfilmen – immer wieder weicht er Genregrenzen auf und überwindet sie. So wird aus den letzten Arbeiten aus dem Iran eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit den Erinnerungen an Herkunft und Kindheit, eine Spurensuche nach der Liebe und – im Kinostart GOLI JAN – ein bedrückend aktuelles Drama um die Selbstbestimmtheit einer jungen Frau in einem radikal-muslimischen Umfeld. Das sind Stoffe, die aus ihm selbst kommen, die er in kleinen Teams und außerhalb des großen Förderzirkus, aber mit umso mehr Engagement realisiert. Houchang Allahyari mag inzwischen 80 Jahre alt sein – er filmt noch immer wie ein Junger! (Florian Widegger)