Retrospective
Käthe Kratz
Frau Film Bewegung
20.2.–4.3.2020
Zum Kino, sagt sie, kommt Käthe Kratz durch reinen Zufall. Mitte der 1960er-Jahre geht die gebürtige Salzburgerin als Studentin der Theaterwissenschaften nach Wien. Doch die Vorlesungen an der Uni empfindet sie als langweilig, sie beschließt, sich an der Filmakademie einzuschreiben. Zunächst als Cutterin, dann als Kamerafrau – erst später, als sich der Wunsch, Geschichten zu erzählen, konkretisiert, als Regisseurin. Die Professorenschaft beobachtet sie teils mit Argwohn, teils mit paternalistischem Wohlwollen. Doch das ist nur der Beginn eines langen und stetigen Kampfes und Sich-behaupten-Müssens gegen Männer in Machtpositionen.
So wird sie Anfang der 1970er beim ORF zunächst für Kinder- und Jugendsendungen eingeteilt. Erst gemeinsame Drehbucharbeiten mit Dieter Berner und Wilhelm Pevny sowie ihre Mitwirkung als Regieassistentin an Berners ALPENSAGA ermöglichen es ihr – gegen immense Widerstände seitens der damaligen Führungsriege – einen eigenen, ersten Spielfilm zu inszenieren: GLÜCKLICHE ZEITEN. Wenig überraschend stellt sie darin und auch in den Nachfolgefilmen Frauen ins Zentrum, die sich gegen männliche Ignoranz behaupten und ihren eigenen Weg einschlagen. Es sind die Jahre, in denen sich die Frauenbewegung in Österreich formiert und artikuliert. Mit ihrer bis dato wohl bekanntesten Arbeit, der Filmreihe LEBENSLINIEN, erweitert Käthe Kratz ab 1983 ihren Blick um eine historische Komponente: Sie zeigt, dass Frauen schon in der Vergangenheit immer wieder lautstark gegen die herrschenden Verhältnisse aufgetreten sind – und gibt der Bewegung in Österreich somit eine Geschichte. Ursprünglich als Trilogie konzipiert, werden die LEBENSLINIEN Ende der 1980er-Jahre noch um zwei Teile erweitert. Neben ihrer Regiekarriere arbeitet Kratz unermüdlich als Sachbuch-, Theater- und Drehbuchautorin. Um die Jahrtausendwende folgt ein weiterer »Fachwechsel« mit zwei Dokumentarfilmen, die auf behutsame Art und Weise Vergangenes und Gegenwärtiges miteinander verknüpfen.
Neben Margareta Heinrich gehört Käthe Kratz zur Speerspitze der »Aktion Filmfrauen«, die in den 1980er-Jahren erstmals ein Bewusstsein in Richtung weibliches Filmschaffen in Österreich weckt. Entsprechend zieht sich ein kleiner – vielleicht sogar utopischer – Hauch durch ihre Filme, die stets den Zusammenhalt und die Solidarität der Frauen beschwören. Nicht alle (Männer) goutieren das: Während die Filme bei öffentlichen Vorführungen fruchtbare Diskurse auslösen, reagiert die Kritik nicht selten abschätzig oder gar gehässig. Auch dies sollte mit ein Grund dafür sein, die Arbeiten von Käthe Kratz einer überfälligen Neubewertung zu unterziehen und sich anlässlich dieser Retrospektive wieder mit ihnen zu beschäftigen. (Florian Widegger)