Retrospective
 

KLAUS WILDENHAHN

DIE ERRETTUNG DER PHYSISCHEN REALITÄT

26.3.–28.3.2019

Dates

Keine aktuellen Termine vorhanden

Klaus Wildenhahn hat die Filmgeschichte der Bonner Republik entscheidend geprägt, durch seine filmischen wie auch theoretischen Arbeiten – nicht zuletzt als bedeutendster Proponent des Direct Cinema im deutschsprachigen Raum und als Dozent an der DFFB in Berlin. Seine Filme sind jedoch außerhalb Deutschlands vergleichsweise selten zu sehen. Die dreitägige Retrospektive mit ausgewählten Werken aus insgesamt fünf Jahrzehnten – zwei Porträts über ihn inklusive – bietet einen kleinen, feinen Überblick über sein Schaffen und die Zusammenarbeit mit seinen wichtigsten MitstreiterInnen Rudolf Körösi, Gisela Tuchtenhagen, Wolfgang Jost und Rainer Komers.

 

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Akademie der bildenden Künste Wien.


Klaus Wildenhahn

Retrospektive vom 26. bis 28. März 2019

KuratorInnen

Katja Wiederspahn, Rainer Komers

Ticketreservierung

reservierung@filmarchiv.at
+43 1 512 18 03 (täglich 15:00-21:00)

Spielort

METRO Kinokulturhaus
Johannesgasse 4, 1010 Wien
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Die Filmvorstellungen finden jeweils in Anwesenheit der KuratorInnen Katja Wiederspahn und Rainer Komers sowie von Gisela Tuchtenhagen, langjährige Mitarbeiterin Wildenhahns, statt.

 

 

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Mit Gedichten wie Frühschicht, die er während seiner Zeit als Pfleger in einer Londoner Nervenheilanstalt geschrieben hatte, bewarb sich Klaus Wildenhahn im Alter von 29 Jahren bei einem Produzenten der ARD-Fernsehlotterie. Die Spots, die er dort half zu realisieren, führten ihn zum NDR, wo er schließlich als festangestellter Redakteur seine eigenen Filme machte. Ein Erweckungserlebnis, das sein ganzes weiteres Leben prägte, war die Begegnung mit Richard Leacock, Pionier des Direct Cinema. Den anfangs spektakulären Filmen der Drew Associates und ihrer Methode hat Wildenhahn den nachkriegsdeutschen Blick eines intellektuellen, sozial hellwachen, behutsamen Menschenfreunds hinzugefügt, der vor allem jenen Gesicht und Stimme geben wollte, die vom Mainstream übergangen wurden. Mit dieser Haltung schuf er 1975/76 gemeinsam mit Gisela Tuchtenhagen den Vierteiler EMDEN GEHT NACH USA über Aktionen und Reaktionen angesichts der Errichtung eines amerikanischen VW-Zweigwerks.

 

Die EMDEN-Serie sowie der Ostfriesland-Film IM NORDEN DAS MEER – IM WESTEN DER FLUSS – IM SÜDEN DAS MOOR – IM OSTEN VORURTEILE, der unter anderem das ehemalige KZ Esterwegen zeigt, werden Gegenstand einer gesteuerten Hetzkampagne. Der NDR knickt ein und verbannt ihn ins dritte Programm, getroffen wechselt Wildenhahn zum WDR. Mit dem Mühlheimer Lyriker Günter Westerhoff dreht er drei Filme, wird Mitinitiator der Duisburger Gruppe Gewerkschaft und Film und entwickelt die Idee zum Solidaritätsfilm TOR 2. Seine Faszination für den Alltag einfacher Menschen teilt er mit Leacock und den Meistern der britischen Dokumentarfilmschule: Harry Watt, Basil Wright und Humphrey Jennings. »Humphrey Jennings was a man of many parts: a student of the critic William Empson, a surrealist painter, an imagist poet, an essayist, a broadcaster, a critic, and a man deeply interested in the condition of England«, schreibt Wildenhahn in Der Körper des Autoren.

 

Wie Jennings war Wildenhahn »a man of many parts«: Lyriker, Erzähler und Tonmeister, Dozent, Filmessayist, Filmtheoretiker und weltoffener Denker, ein Mann mit tiefer Empathie für Menschen aus vielen Berufen und Schichten. Seine Filme sind wie er selbst »of many parts«, reichhaltig, anregend und angstfrei. Gemeinsam mit Gisela Tuchtenhagen und MitstreiterInnen gründet Wildenhahn 1998 die Werkstatt Dokumentarisch Arbeiten. 2000 folgt sein letzter Film: EIN KLEINER FILM FÜR BONN. »Noch einmal Augenzeuge sein, aber nicht notwendigerweise Zusammenhänge verstehen …« – ein kleiner Film und ein Vermächtnis, das nach nahezu zwei Jahrzehnten bereits wie eine kostbare Flaschenpost aus einer anderen Welt anmutet. (Rainer Komers)

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Alle Filme der Retrospektive
Klaus Wildenhahn

Wir warten in den leeren Wegen der ausgehenden
schieferfarbenen Nacht. Wir warten. 
Wir verhalten den Laut unserer Schritte 
auf dem hölzernen Gerüst von S-Bahntreppen 
und auf Straßen früh. 



Wir wachen 
unter dem schaukelnden Licht der Bahnsteiglampe 
eine kleine Viertelstunde 
die stille Stunde des Tages in der 
von der Dämmerung her 
die erste Waschung sich in unsere Augen tastet. 



Von fern 
durch den Grund der Stille 
schellt der erste Weckerschlag der Stadt 
ein Zug 
in seinen metallenen Gleisen.



Klaus Wildenhahn, Frühschicht 2