Retrospective
Queer Cinema
Made in Austria
1.6.–19.6.2022
Das österreichische Kino hatte, von einigen Ausnahmen im Avantgardefilm abgesehen, lange Zeit nicht gerade den Ruf, besonders mutig, transgressiv oder gar queer zu sein. Lustvolle Grenzüberschreitungen finden sich diesbezüglich nur punktuell – möglicherweise ein Mitgrund dafür, dass in den letzten Jahren einiges aufgeholt wurde. Doch schaut man etwas genauer hin, so haben LGBTIQ+-Themen – also Filme, die die Lebensrealität von Lesben, Schwulen, bi-, trans-, und intergeschlechtlichen, queeren Personen berücksichtigen – vielleicht einen tieferen Eindruck hinterlassen als es zuerst den Anschein hat: In absolut problematischen »Hygienefilmen« aus den 1930er-Jahren mindestens so sehr wie in den spärlichen Versuchen in den 1960er- und 70er-Jahren, an eine zeitgemäße Filmsprache anzuknüpfen, um zu zeigen, was es eigentlich nicht geben darf.
1971 ist dabei ein Schlüsseljahr: Im Zuge einer Strafrechtsreform unter SPÖ-Justizminister Christian Broda wird das Totalverbot der Homosexualität trotz hartem Widerstand aufgehoben. Bis dahin war jede homosexuelle Handlung (und somit auch das Abbilden derselben) strafbar. Die Spuren der 68er-Bewegung zeigen sich langsam in zunehmenden gesellschaftlichen und kulturellen Modernisierungsprozessen. Informell entstehen erste Gruppen wie Coming Out (1975) oder die Lesbengruppe im Rahmen der Aktion Unabhängiger Frauen (AUF), bis 1979 mit der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien der Grundstein für die organisatorische Zusammenarbeit zwischen Schwulen und Lesben gelegt wird. Seitdem hat sich viel getan, was die Gleichstellung von LGBTIQ+-Personen hierzulande betrifft – wenn auch meist aufgrund von Privatklagen vor dem VfGH.
Queer Cinema – Made in Austria steht am Beginn einer intensiven Auseinandersetzung, die wir gemeinsam mit dem TFM – Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Uni Wien (Andrea B. Braidt, Nicole Kandioler) im Rahmen eines Forschungsprojekts unternehmen wollen: Neben einem umfassenden Werkverzeichnis steht vor allem die Rezeptionsgeschichte im Fokus. Die hier präsentierte Filmschau stellt einen ersten Ausschnitt einer queeren österreichischen Filmgeschichte dar.
Besonderer Dank gebührt Dietmar Schwärzler, dessen Text »Rise and a Phoenix« eine wichtige Inspiration für diese Retrospektive war. (Florian Widegger)