Retrospective
Unerwünschtes Kino I
Filme vor der Vertreibung 1930–1933
18.10.–2.12.2019
Was Hans Moser für den Wiener Film ist, ist Otto Wallburg für den Berliner: eine Institution, legendär in seinen Darstellungen, eine Sprachkanone im wörtlichen Sinn. Entsprechend Wert legen die Produzenten der frühen Tonfilmzeit auf sein Mitwirken, das sich oft nur auf Nebenrollen beschränkt, ihn aber stets zum Motor für komische Situationen und Dialoge macht. Fast 80 Filme dreht er bis Ende 1933 in Deutschland, bevor er zur Emigration gezwungen wird. Mit neun Filmen ist Wallburg auch der zentrale Schauspieler des Unerwünschten Kinos. Ebenfalls kein Unbekannter ist Felix Bressart, ein begnadeter Verlegenheitskomiker und Wortakrobat, dessen schlanker Körperbau und notorische Unbeholfenheit ein wenig an Stan Laurel erinnern.
Das ungarischstämmige Multitalent Rosy Barsony steht als Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin erst am Anfang ihrer Karriere, als die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergreifen. Entgegen eindeutiger Vorgaben von Goebbels versucht man sie in der Ufa zu halten – mit »Rücksicht auf die Knappheit an jugendlichen Darstellern«. Vergeblich. Franziska Gaal ist eine Verwandlungskünstlerin von subtiler Komik, überaus präzise in ihrer Arbeitsweise und mit ambitionierten Vorstellungen von Stil und Rollenpräsentation, was durchaus auch zu Konflikten zwischen dem Star und seinen Regisseuren führt.
Viele Karrieren des späteren Unerwünschten Kinos haben ihren Ursprung auf den Theaterbühnen. Schon seit der zweiten Hälfte der 1910er-Jahre im Film- wie Operettenfach aktiv sind etwa der amerikanisch-ungarische Schauspieler Ernst (Ernö) Verebes und der Wiener Fritz Schulz. Auch der Burgenländer Ludwig Stössel kann auf eine lange Karriere auf der Bühne zurückblicken, bevor er als Chargendarsteller mit dem Aufkommen des Tonfilms an bis zu sieben Filmen pro Jahr mitwirkt. Dem stimmgewaltigen Tenor Joseph Schmidt bleibt die Opernbühne aufgrund seiner Körpergröße verwehrt – seiner Popularität, die sich dank zahlreicher Schallplatten und Rundfunkübertragungen über ganz Europa erstreckt, tut dies allerdings keinen Abbruch, und auch die Kinoleinwand erobert er spätestens mit EIN LIED GEHT UM DIE WELT im Sturm.
Neben den hier genannten Persönlichkeiten finden sich in der Filmauswahl zahlreiche weitere prominente EmigrantInnen, die 1933 aufgrund der Rassengesetze Deutschland verlassen müssen. Viele finden im Exil einen sicheren Hafen und können weiterarbeiten, manche entkommen dem NS-Terror, der sich in den Folgejahren über Europa ausbreitet, nicht: Das deutschsprachige Kino wird seiner bedeutendsten KünstlerInnen beraubt – und sich davon nicht wieder erholen. (Florian Widegger)