Retrospective
Wolfram Paulus
In memoriam
1.9.–12.10.2020
Filmvorführung und Lesung
Eintritt frei
»Ich nehme mir die Geschichten aus meinem Land
und ich erzähle sie von innen heraus.«
Wolfram Paulus
Schon in jungen Jahren ist der 1957 in Großarl im Pongau geborene Paulus fasziniert vom Kino. Mit 15 beginnt er, angesteckt von seinem filmaffinen Vater, auf Super-8 Kurzfilme zu drehen. Darin geht es um Kindheit, ums Aufwachsen am Land, um die Arbeit der Bergbauern – Themen, die Wolfram Paulus nie loslassen sollten. WOCHENEND, sein Abschlussfilm an der Filmakademie in München, verdeutlicht nicht nur sein Interesse an »ländlichen« Stoffen, sondern auch sein Faible für die Arbeit mit Laiendarstellern. Seine Vorbilder sind Pasolini und Robert Bresson, den er noch kennenlernt: »Beobachte, sammle Eindrücke, nimm auf, so viel du kannst!«, gab ihm der französische Meister mit auf den Weg.
In den 1980er-Jahren ist das heimische Kino auf der Suche nach einer neuen Identität. Paulus’ Langfilmdebüt HEIDENLÖCHER trifft einen Nerv: karge Schwarz-Weiß-Bilder, sparsamer Dialog, nahezu dokumentarischer Gestus – ein gegen den Strich gebürsteter »Heimatfilm«, der allerdings zum größten Teil mit finanzieller Beteiligung aus Deutschland entsteht. Mit den beiden nachfolgenden Filmen NACHSAISON und DIE MINISTRANTEN komplettiert er seine »Salzburger Trilogie«, die seitdem zum Standard des jüngeren österreichischen Filmkanons gehört. Letzterer offenbart eine weitere, wesentliche Seite im Schaffen des Autors, Cutters und Regisseurs Wolfram Paulus, nämlich Geschichten mit und aus der Sicht von Kindern zu erzählen. Für nicht wenige von ihnen stellt die Arbeit mit Paulus den Karrierestart vor der Kamera dar, für ihn ergibt sich umgekehrt die Möglichkeit, sich in gewissem Sinne immer wieder neu zu erfinden.
In den 1990er-Jahren ist Paulus immer noch viel beschäftigt und dreht fast jedes Jahr einen Film. Doch scheint es, als hätten sowohl sein Wechsel zum Fernsehen, wo er regelmäßig Stoffe unterbringt, und seine Festlegung als Kinderfilmregisseur es ihm im regulären Kinobetrieb schwer gemacht. Solche Kategorisierungen können und sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Arbeiten an Energie, Witz und Risikobereitschaft gewonnen haben. Sein letztes abgeschlossenes Projekt HELDENZEITREISE, das er mit Schülern erarbeitet hat und im Rahmen dieser Retrospektive erstmals in Wien präsentiert wird, ist dafür ein leuchtendes Beispiel. (Florian Widegger)