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THE SCIENCE OF DEDUCTION
SHERLOCK HOLMES & SIGMUND FREUD
Holmes deduziert auf der Ebene der Indizien, der Einschusslöcher, Fußabdrücke, Dreckspritzer. Er kann 140 unterschiedliche Formen von Zigaretten-, Zigarren- und Pfeifenasche unterscheiden. Freud operiert hingegen auf einer ikonischen Ebene, für ihn weist alles Äußere und jede Äußerung auf ein verborgenes Inneres, Ähnliches, Verdichtetes, Versch(r)obenes hin. Seiner Studie Zur Psychopathologie des Alltagslebens gibt Freud den Untertitel Über Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglaube und Irrtum. Die einander entgegengesetzten analytischen Methoden von Freud und Holmes treffen aufeinander, wenn es darum geht, Mörder ausfindig zu machen und zu verstehen. Während reale und fiktionale Detektive in der Tradition von Holmes die äußeren Indizien interpretieren, analysieren psychoanalytisch orientierte Kriminalisten die möglichen inneren Motive. Wenn ein nahezu perfekter Mord daran scheitert, dass der Täter seine Brille just am Tatort verliert, sprechen Sherlockianer vom »Kommissar Zufall«, Freudianer wie Theodor Reik hingegen von »Geständniszwang und Strafbedürfnis«. (Rainer Köppl)