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Retrospektive
Hollywood in der »Ostmark« Die Wien-Film 1939–1945

Zwischen 1939 und 1945 stellte die unter nationalsozialistischer Kontrolle stehende Wien-Film insgesamt 50 Kinoproduktionen her – darunter einige der größten Publikumserfolge des »Dritten Reichs«, aber auch explizite Propagandafilme wie HEIMKEHR und WIEN 1910.

80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs präsentiert das Filmarchiv Austria die wichtigsten Beispiele aus dem gesamten Produktionsspektrum.
Diese selten zu sehenden Filme zeigen, warum das Kino für den Nationalsozialismus von entscheidender Bedeutung war – und wie es im kollektiven Gedächtnis Österreichs nachwirkte.

Ideologie und Eskapismus

__Die Wien-Film im »Dritten Reich«__

Wenn die Analyse zutrifft, dass wesentliche Protagonisten des NS-Regimes als kinoverrückt galten, dann wurde das »Dritte Reich« auch aus dem Kino heraus geschaffen, eine fantastisch-surreale Konstruktion, die zugleich als Traumvehikel wie als Todesfabrik funktionierte. Zu keiner Zeit wurde dem Kino wohl mehr propagandistische Kraft zugemessen wie im Nationalsozialismus. Dies trifft paradigmatisch auf die Produktionen der Wien-Film zu, die zu einem Zentrum der NS-Propaganda in der »Ostmark« avancierte.

Eine Raute mit einem darin eingeschlossenen Violinschlüssel als musisches Signum, das seinen Namensträger programmatisch darstellt. So präsentierte man am 16. Dezember 1938 die aus der Tobis-Sascha-Filmindustrie hervorgegangene Wien-Film. Das ihr von offizieller Seite vorangestellte Motto – »Wetteifernd mit den übrigen Künsten soll der Film gestalten, was Menschenherzen erfüllt und erbeben lässt und sie durch Offenbarung des Ewigen in bessere Welten entrückt« – war von Joseph Goebbels unterschrieben und dokumentierte damit den Propagandaauftrag. Ziel war es, die Wien-Film zum großen Produktionszentrum, zum Hollywood der »Ostmark« auszubauen. Als Produktionsleiter agierte von Anbeginn der Wiener Karl Hartl. Insgesamt fünfzig Streifen entstanden in den Jahren 1939 bis 1945, wobei acht davon erst nach Kriegsende als »Über­ läufer« aufgeführt wurden. Forst, Hörbiger, Wessely und Moser, die klingenden Namen der Wien-Film-Stars, verdeckten und verdecken bis heute die Tragödie der Vertreibung und Ermordung jüdischer Filmschaffender.

Im März 1939 ging mit UNSTERBLICHER WALZER die erste Produktion der unter der Kontrolle der Nationalsozialisten stehenden Firma im Atelier Rosenhügel in die Realisierung. Das mit einem Star-Ensemble produzierte Porträt der Künstlerfamilie Strauss deutete schon die Ausrichtung der neuen NS-Traumfabrik an. Produziert werden sollte leicht konsumierbares Unterhaltungskino unter Einbezug von Lokalkolorit. Ein 1941 von der Reichsfilmkammer an die Filmschaffenden der Wien-Film ausgegebener Erlass formulierte es noch deutlicher. So war es verboten, »rauchende Personen, Karikierung eines Lehrers, Habsburger, k. k. Offiziersuniformen, kinderlose Ehen, uneheliche Kinder, Film im Film, Katastrophen« zu zeigen.

Karl Hartl vermerkte dazu einmal: »Ich hatte es mir zum Prinzip gemacht, in die Vergangenheit zu flüchten, um keine Nazifilme machen zu müssen. Dabei mussten alle nur denkbaren Stoffe herhalten, von Mozart und Raimund bis zu den Schrammeln. Damit erzielten wir nicht nur schöne Erfolge, sondern es gelang uns auch, das eigenständig Österreichische im besten Sinne zum Ausdruck zu bringen und lebendig zu halten.«

Diese Einschätzung war Teil der Erzählung, die Österreichs Verstrickungen in den Nationalsozialismus relativieren sollte und die nach dem Krieg liebevoll gepflegt wurde. Unerwähnt blieb die propagandistische Grundfärbung aller NS-Unterhaltungsfilme, deren eskapistische Mission es geradezu war, mitten im Krieg im Kino die heile Welt zu zeigen.

Und Hartl sparte aus, dass die Wien-Film auch für die Produktion expliziter Propagandafilme verantwortlich war. Dazu zählten LEINEN AUS IRLAND (1939), LIEBE IST ZOLLFREI (1941), WIEN 1910 (1943) und vor allem HEIMKEHR (1941), eine raffiniert konstruierte Geschichtsverdrehung, die den Überfall Hitlers auf Polen legitimieren sollte. Dieser »schlimmste Propagandafilm der Nazis überhaupt« (Elfriede Jelinek) führt regelmäßig zu Fragen nach der Moral und Verantwortung von Filmkünstler:innen im »Dritten Reich«. Tatsache ist, dass HEIMKEHR mit einem Budget von 3,7 Millionen Mark zu den teuersten NS-Produktionen gehörte und die Mitwirkenden Top-Gagen lukrieren konnten.

Im Nachkriegsösterreich vergaß man gerne, dass die Wien-Film eine von den Nazis ins Leben gerufene Institution war, der Enteignungen und die Vertreibung jüdischer Filmschaffender vorausgegangen waren. Heute findet man in den Produktionen der Wien-Film viele zeithistorische Botschaften, NS-Ideologien in allen Schattierungen, aber auch österreichische Lebenslügen, die mitunter lange nachwirkten. (Ernst Kieninger)

Mi, 05. März - Mo, 31. März
Mi, 05.3., 18:30
Hollywood in der »Ostmark«
Wiener Blut
Komtesse Melanie kehrt mit ihrem Mann, einem deutschen Grafen, zurück in ihre Heimat. Dort entzweien die Lebensart und unterschiedliche Ansichten zum Walzer-Tanz das junge Paar … WIENER BLUT gilt als der Operettenfilm schlechthin: »Die satirische Zeichnung preußischer Mentalität sowie die Betonung des ›Österreichertums‹ in Sprache und Milieu wurden von Forst als stiller Protest gegen Hitler-Deutschland angesehen.« (Lexikon des deutschen Films)(Florian Widegger) Freier Eintritt für Mitglieder de
Mi, 05.3., 20:45
Hollywood in der »Ostmark«
Donauschiffer
Die hübsche Sängerin Anny Hofer sorgt auf dem Donaudampfschiff Fortuna für Rivalität zwischen dem Kapitän und einem ungarischen Adeligen, der sich zunächst als blinder Passagier an Bord schmuggelt, dann aber zum Retter in der Not wird … Die Dreharbeiten auf der Donau zu dieser harmlosen Liebeskomödie, hinter deren Fassade auch so manches NS-Stereotyp transportiert wird, beendet im Sommer 1939 schließlich der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. (Florian Widegger)
Do, 06.3., 17:30
Hollywood in der »Ostmark«
Unsterblicher Walzer
Wenig überraschend rückt die erste Wien-Film-Produktion 1939 die Geschichte der Walzer-Dynastie Strauss in den Mittelpunkt, genauer gesagt: den Konflikt zwischen dem Vater und seinen drei Söhnen Johann, Josef und Eduard. Weil der Ältere das musikalische Talent der Jüngeren unterbinden möchte, kommt es zum Bruch – erst zwischen den Generationen, dann unter den Brüdern selbst. Zahlreiche Ohrwürmer im ¾-Takt lockern das Geschehen auf.
Sa, 08.3., 17:00
Hollywood in der »Ostmark«
Der Postmeister
Dem im August 1939 unterzeichneten Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion kommt diese Literaturverfilmung eines russischen Klassikers zupass: Der in jeder Hinsicht gewaltige Heinrich George schlüpft in die grobschlächtige wie naive Titelrolle, deren schöne Tochter Dunja an einen nur vermeintlich seriösen Rittmeister aus der Stadt gerät … Nach Kriegsbeginn 1941 verschwindet der überaus erfolgreiche Film wieder aus den Kinos. (Florian Widegger)
So, 09.3., 17:00
Hollywood in der »Ostmark«
Späte Liebe
Um an Geld für ihre lungenkranke Schwester zu kommen, willigt die verarmte Adelige Sophie ein, einen reichen Fabrikanten zu heiraten. Der hofft einerseits, dass aus der Zweckehe vielleicht doch einmal Liebe werden könnte, verschreckt die junge Frau jedoch mit seiner groben Art. Diese wird indes auch von anderen Männern umworben … Einmal mehr verschreibt sich das Ehepaar Wessely/Hörbiger einer Liebesgeschichte, die von Opfer und Verzicht geprägt ist.
Mo, 10.3., 18:00
Hollywood in der »Ostmark«
Ein Mann gehört ins Haus
Karl Kronthaler, ein bankrotter Gutsbesitzer, sucht Arbeit und findet Anstellung bei einer Frau, die sich Männern gegenüber sehr distanziert zeigt, da sie fürchtet, diese seien nur auf ihr Hab und Gut aus. Als sie beinahe einem Gaunerpärchen aufsitzt, erweist sich Kronthaler aber sowohl beruflich als auch privat als gute Partie … Die Außenaufnahmen entstanden in Zell am See – wo die Wahrscheinlichkeit, vom Krieg unterbrochen zu werden, gering war.
Mo, 10.3., 20:00
Hollywood in der »Ostmark«
Wiener Mädeln
Wie die allererste Wien-Film-Produktion beschäftigt sich auch die letzte mit Österreichs musikalischer Vergangenheit, hier verkörpert durch den Operettenkomponisten Carl Michael Ziehrer, der erst unglücklich im väterlichen Hutgeschäft arbeiten muss, bis er sich als Musiker einen Namen machen kann – und sein Herz an eine schöne Frau verliert … In gewissem Sinne DIE Blaupause für das deutschsprachige Kino der folgenden zwei Jahrzehnte.
Di, 11.3., 20:00
Hollywood in der »Ostmark«
Ein Leben lang
Ein Wiener Baron, ein steirisches Mädel, drei Tage auf der Alm … Für den Mann geht danach alles weiter wie zuvor, für die Frau dagegen verändert sich mit der Schwangerschaft der ganze Lebensplan. Doch Agnes ist energisch, zupackend, selbstständig – ganz die Wessely. Sie schlägt sich durch. Nach dem Krieg stehen die Verhältnisse Kopf, und die zwischen Mann und Frau ungleich verteilten Kosten der Leidenschaft werden aufgerechnet. (Christoph Brecht)
Mi, 12.3., 18:30
Hollywood in der »Ostmark«
Liebe nach Noten
Eigentlich liegen dem Komponisten Frank Ewert die Frauenherzen zu Füßen – doch als er ihnen bei einem Interview jegliche schöpferische Begabung abspricht, entfesselt er einen Proteststurm. Von nun an stört die Damenwelt seine Konzerte. Ewert versucht sich mittels eines Tricks zu rehabilitieren – doch da hat er die Rechnung ohne seine neue Konkurrentin gemacht … Locker-flockig inszeniertes Musik-Lustspiel, zur Ablenkung und Weltflucht. (Florian Widegger)
Sa, 15.3., 18:30
Hollywood in der »Ostmark«
Mutterliebe
Kurz nach Einführung des »Ehrenkreuzes der deutschen Mutter« erzählt dieser Film vom Schicksal einer ebensolchen: Marthe Pirlinger verliert auf tragische Weise ihren Mann und muss nun allein und gegen viele Widerstände ihre vier Kinder großziehen. Durch ihre Opferbereitschaft macht sie aus ihnen »nützliche Mitglieder der Volksgemeinschaft«. Trotz des vernichtenden Männerbildes freute sich Goebbels über diesen »Sieg des deutschen Films«.
Fr, 21.3., 18:30
Hollywood in der »Ostmark«
Wien 1910
Während das Gerücht umgeht, Bürgermeister Lueger läge im Sterben, formieren sich bereits seine Gegner: Juden, Sozialdemokraten und Liberale. Doch Lueger erholt sich kurzzeitig – und prophezeit sowohl den Untergang der Monarchie als auch das Heraufdämmern eines großdeutschen Reiches … Zahlreiche Zensureingriffe verzögerten die Fertigstellung des Films um zwei Jahre. In der »Ostmark« wurde der kolossale Flop erst gar nicht freigegeben. Mit einer Einführung von Frank Stern Kein verspäteter Einlass
Sa, 22.3., 17:45
Hollywood in der »Ostmark«
Schrammeln
Wien, Ende des 19. Jahrhunderts: Während Komponist Johann Schrammel seine Wiener Lieder für untauglich erachtet, bringt sie sein Bruder Josef heimlich unter die Leute – mit immensem Erfolg. Doch Johann ist von diesem Eingriff weniger begeistert – und es bedarf der kecken Fiakermilli, um die Brüder wieder zu versöhnen … Das Publikum feierte diesen mit einigen versteckten Seitenhieben auf das NS-Regime gespickten österreichischen »Heimatlandfilm«.
So, 23.3., 18:30
Hollywood in der »Ostmark«
Heimkehr
Ostpolen 1939. Die Übergriffe auf die deutsche Minderheit nehmen zu. Während die polnische Mobilmachung beginnt, wehrt sich Maria gegen die Willkür, der schließlich ihr Verlobter zum Opfer fällt – er stirbt, nachdem er zusammengeschlagen und vom Krankenhaus abgewiesen wird. Deutsche werden verhaftet und sollen erschossen werden. Ihr Widerstand und das Heranrücken der Wehrmacht verhindern dies, und ein großer Treck führt sie schließlich »heim ins Reich« … Seine völlige Umkehrung der Verhältnisse
Mo, 24.3., 17:30
Hollywood in der »Ostmark«
Liebe ist zollfrei
Durch und durch korrupte Politiker, Österreich als Land am Rand des Bankrotts, hoffnungslos überfremdet mit Ausländern – und immer noch produziert Hans Moser als kleiner Zollbeamter verlässliche Lacher. Um jemanden zu verhaften, braucht er keine Beweise, es genügen ein paar Missverständnisse. Ein komödiantisches Feuerwerk mit nationalsozialistischen Untertönen, wobei die Seitenhiebe auf die parlamentarische Demokratie durchaus zeitlos erscheinen.
Fr, 28.3., 20:30
Hollywood in der »Ostmark«
Leinen aus Irland
Was sich auf dem Papier wie eine »wienerisch-liebenswürdige Komödie mit Lokalkolorit« (Paimann’s Filmlisten) liest, ist in Wirklichkeit einer der »wichtigsten antijüdischen Propagandafilme der NS-Ära« (Erwin Leiser): Anfang des 20. Jahrhunderts will ein jüdischer Textilgroßhändler seine Macht ausbauen – dafür müssen zahlreiche Kleinunternehmer dran glauben. Einer setzt sich jedoch zur Wehr … Als Komparse tritt der damals 16-jährige Oskar Werner auf. Mit einer Einführung von Stefan Schmidl. Kein
Mo, 31.3., 17:45
Hollywood in der »Ostmark«
Krambambuli (1940)
Die tragische Geschichte rund um einen Hund und seinen vergeblichen Versuch, gleich zwei Herren – einem Wilderer und einem Revierjäger – die Treue zu halten, erweist sich auf der Leinwand als überaus erfolgreich. In den Wien-Film-Akten ist auch der vierbeinige Hauptdarsteller dokumentiert: »Wir ersuchen, den Hund ›Naz‹ (nähere Details sind Ihnen bekannt) ab 6.11.1939 auf vier Wochen gegen alle Eventualitäten mit RM 3.000 zu versichern«.
Mo, 31.3., 20:00
Hollywood in der »Ostmark«
Am Ende der Welt
Michael wird von der schönen Roberta und dem jüdischen Bankier Grabowski betrogen. Die reuige Roberta sagt sich vom städtischen Nachtleben los und folgt Michael nach dessen Entlassung aus dem Gefängnis in die Wälder, um ein neues Leben zu beginnen … Lauter Charaktere, die verunsichern und selbst verunsichert sind, bevölkern diesen zunächst verbotenen Film, der erst nach dem Krieg, um antisemitische Ausfälle bereinigt, ins Kino kommt.