Seine Fernseharbeiten aus den 1970er- und 1980er-Jahren zeichnen sich durch präzise Beobachtungen aus, die die Themen und Stimmungen im Land registrieren und reflektieren. Seine späteren Kinofilme als Regisseur und Produzent setzen sich vor allem mit vergangener Schuld und der daraus resultierenden Verantwortung auseinander.
Anlässlich seines 75. Geburtstags präsentiert das Filmarchiv Austria eine ausführliche Rückschau auf das vielstimmige Werk von Lukas Stepanik, der auch als Professor an der Wiener Filmakademie fast drei Jahrzehnte lang jüngere Generationen prägte – und somit einen gewichtigen Anteil an jener Erfolgsgeschichte hat, die man heute dem österreichischen Film zuschreibt.
Die Retrospektive findet mit freundlicher Unterstützung des ORF-Archivs statt. Im Rahmen der Kinder Kino Klassiker zeigen wir den von Lukas Stepanik produzierten Film LISA UND DIE SÄBELZAHNTIGER.
Sorgfältig, nie banal
Hätte er nicht in der 7. Klasse dank eines Mitschülers die Filmakademie entdeckt – wer weiß, ob Lukas Stepanik dann nicht dem Wunsch seines Vaters folgend Arzt oder Jurist geworden wäre?
1950 in Wien geboren, interessierte er sich zwar bereits als Jugendlicher fürs Kino, doch als er aus nächster Nähe mit dem Medium in Berührung kommt, keimt in ihm der Wunsch, Regisseur zu werden. Es sind die Filme des Neorealismus, der Nouvelle Vague und besonders des britischen Free Cinema, die ihn nachhaltig beeindrucken.
Auf seine Zeit als Student angesprochen, hebt er die filmhistorischen Vorlesungen des legendären Kritikers Fritz Walden hervor, der eine echte Auseinandersetzung förderte – und die vielen nachhaltigen Freundschaften unter den Studierenden, die in der damals noch stark verbeamteten Institution entstanden sind.
Nach seinem Studienabschluss erhält er ein verlockendes Angebot vom ORF, einige Episoden der Sendereihe GESCHICHTEN AUS ÖSTERREICH zu inszenieren. So entsteht zwischen 1977 und 1980 – unter teils widrigen Umständen (geringe Budgets, problematische neue Videotechnik) – eine stattliche Anzahl an Halbstündern, die sich mit ausgeprägtem sozialem Gewissen relevanten Themen widmen und dabei durchaus »persönlich« ausfallen.
Das Gefälle zwischen Stadt und Land, Aufstiegschancen und Abstiegsängste, die Probleme junger Erwachsener, ihren eigenen Weg im Leben zu finden, sind einige der Fragen, die Stepanik in diesen wie späteren, mit mehreren Preisen ausgezeichneten Fernseharbeiten erörtert. Dabei zeigt er – gerade aus heutiger Sicht – ein Land, das von patriarchaler Repression geprägt ist.
1980 gründet er zusammen mit fünf Kolleg:innen die Extrafilm, ein Kollektiv von Filmschaffenden, das zunächst unabhängige, »kleine« Produktionen realisiert.
Sein erster Kinospielfilm, KIESELSTEINE (1984), verhandelt durchaus provokant die Nicht-Aufarbeitung der österreichischen Zeitgeschichte. Knapp 20 Jahre später verfilmt er gemeinsam mit dem langjährigen Freund und Co-Autor Robert Schindel dessen Roman GEBÜRTIG.
Dazwischen liegen zahlreiche Arbeiten als Produzent von Spiel-, Dokumentar- und Kinderfilmen sowie eine zweite Karriere als Professor an der Filmakademie, wo er bis 2015 unterrichtete. Die Liste seiner heute erfolgreichen Studierenden ist zu lang, um sie an dieser Stelle wiederzugeben.
Eine „sorgfältige, nie banale Analyse der Gesellschaft, in der wir leben“, bilanziert Marina Pavido über KIESELSTEINE – eine Beobachtung, die auch auf die anderen Filme Stepaniks punktgenau zutrifft.
Kurator: Florian Widegger