In dieser lebensnahen Werkschau gibt es dokumentarische Arbeiten von Bernhard Frankfurter wiederzuentdecken, dessen Aufmerksamkeit stets brisanten politischen wie verdrängten historischen Themen galt. Er erkundet in fundiert recherchierten Features marginalisierte Bereiche des Alltags, zeichnet ebenso charmant wie kritisch Lebenswege nach, von denen wir auch heute noch vieles lernen können. Er schafft Dokumentationen, die ihrer Zeit voraus waren, gerade, weil sie so präzise in ihr verhaftet sind. Frankfurter hat Filme gedreht, die wiederaufgeführt und wieder angesehen werden sollten. Im Kino, für das er mit Herz, Hand und Hirn gelebt hat.
Der Unbequeme
Bernhard Frankfurter hat sich als Filmregisseur, als kritischer Autor und Essayist in der österreichischen Medienlandschaft der 1970er- und 1980er-Jahre einen Namen gemacht. Als Publizist für politische Magazine, als leidenschaftlicher gewerkschaftlicher Streiter für die freien Mitarbeiter:innen des ORF, als Mitbegründer des »Syndikats der Filmschaffenden« und Vordenker einer staatlichen Filmförderung.
Frankfurter – 1946 in Graz geboren, 1999 in Wien gestorben – studiert Philosophie, Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Wien, veröffentlicht linksliberale Manifeste, wird während eines Paris-Stipendiums 1969 politisch sozialisiert und fokussiert sein Augenmerk seither auf aktuelle wie verdrängte historische Themen. Er bricht das Studium ab, wird Redakteur des eben gegründeten Wochenmagazins profil, schreibt für die Arbeiter-Zeitung und das Extrablatt. 1972 folgt eine Anstellung beim ORF, wo er über die Jahre an etlichen Dokumentationen, Features und Magazinbeiträgen beteiligt ist.
Das Programm der Retrospektive präsentiert eine Auswahl seiner weithin in Vergessenheit geratenen filmischen Arbeiten. Sie zeigen eine große Vielfalt und das feine Gespür des Regisseurs für soziale Schieflagen, wenn er ausbeuterischer Akkordarbeit, prekären Wohnverhältnissen oder dem Wandel der österreichischen Industrielandschaft nachgeht. Ein weiterer Themenkreis, dem er sich zuwendet, ist die Zeit wie auch das Erbe des Nationalsozialismus: Ob im zweiteiligen Generationen-Porträt AM BEISPIEL 33/38, in ON THE ROAD TO HOLLYWOOD, wo er den Spuren vertriebener Regisseure, Autoren, Schauspieler:innen in die Emigration folgt, oder mit SS-NR. …, in dem er das Gespräch mit einem ehemaligen KZ-Arzt aus Auschwitz dokumentiert.
Die Retrospektive, die Bernhard Frankfurters wichtigste Arbeiten wieder sichtbar macht und zur Diskussion stellt, umfasst zwölf Filme, die sein unbändiges Interesse an gesellschaftlichen, politischen, kulturellen Soziotopen veranschaulichen. Jedes Programm wird von einer Einführung begleitet, zwei sind gerahmt von vertiefenden Gesprächen mit Wegbegleiter:innen des Filmemachers.
Die verdiente Anerkennung ist diesem Autor und Regisseur, der als schwierig und unbequem galt, zu Lebzeiten oft verwehrt geblieben. Nehmen wir, das Publikum, sein Engagement auf, sehen wir uns seine Filme an, tragen wir weiter, was er erzählen wollte, seien wir, wie Günter Eich es in einem Gedicht formulierte, unbequem, seien wir der »Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt«. Das wäre ganz im Sinne des Filmemachers! (Brigitte Mayr)
Die Retrospektive findet in Zusammenarbeit mit SYNEMA – Gesellschaft für Film und Medien statt.
Mit freundlicher Unterstützung des ORF-Archivs