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Als »afrikanischen Molière« hat das Magazin Newsweek einmal Ousmane Sembène bezeichnet. Ursprünglich Schriftsteller, erkennt er die große Wirkung, die der Film auf das analphabetische Publikum seiner Heimat hat. Im Kino sieht er eine Abendschule, im Zentrum seiner Filme stehen Fragen nach Machtverhältnissen, nach den Auswirkungen der Kolonialzeit auf die kulturelle Identität und die Gegenwart Afrikas. Dabei ist die universelle Kraft seiner aufrüttelnden Arbeiten, mit denen er unzählige Preise erhält, nach wie vor bestechend. Wir freuen uns, diese in großteils neu restaurierten Fassungen nach langer Zeit wieder in Österreich präsentieren zu können.
Vom Autodidakten zum Pionier
Ousmane Sembène (1923–2007) gilt als der Wegbereiter des afrikanischen Films. Der Sohn eines muslimischen Fischers wächst im Süden Senegals auf. Als er sich weigert, die Marseillaise auf Korsisch zu singen, wird er der Schule verwiesen – ein Akt der Rebellion, der seine Haltung fortan prägen sollte. Ab 1942 kämpft er als senegalesischer Tirailleur gegen den deutschen Faschismus in Europa, fünf Jahre später nimmt er an einem historischen Streik der Eisenbahner teil – zwei weitere Schlüsselerfahrungen, von denen er in seiner künstlerischen Arbeit als Autor, Theatermacher und Regisseur zehrt. Seine erste autobiografisch gefärbte Novelle, Le Docker Noir, erscheint 1956, setzt sich mit Diskriminierung und Solidarität auseinander und etabliert ihn als einen der wesentlichen Schriftsteller Afrikas.
Der Griff zur Kamera wird zum nächsten entscheidenden Wendepunkt in seiner Karriere: Angesichts der großen Zahl an Analphabeten unter der Bevölkerung in Westafrika sieht Sembène im Film das ideale Medium, um seine Botschaften zu vermitteln. Sein Weg führt ihn zunächst nach Moskau, wo er ab 1961 im Maxim-Gorki-Studio das Handwerk lernt. BOROM SARRET (1963), sein erster Kurzfilm, verhandelt bereits die Kluft zwischen der afrikanischen Peripherie und den neokolonialen Stadtzentren. Es folgen mit LA NOIRE DE … (1964) der erste schwarzafrikanische Spielfilm und mit MANDABI (1968) der erste in der senegalesischen Landessprache Wolof gedrehte Film.
Diese Arbeiten sind mehr als bloße Erzählungen: Sie sind politische und soziale Statements, die stets auf der Seite der Unterdrückten stehen, jenen, die buchstäblich keine Stimme haben. Nach einer Reihe scharfsinniger, bestechend klarer Satiren, die die Zustände im postkolonialen Afrika aufs Korn nehmen und an die orale Tradition der westafrikanischen Griots anschließen, wendet sich Sembène in CEDDO (1977) und vor allem in CAMP DE THIAROYE (1988) den Schrecken der Kolonialzeit zu – womit er auf großen Widerstand und Zensur durch die politischen Entscheidungsträger stößt.
Seine letzten Arbeiten befassen sich schließlich mit der Rolle der Frauen in der Gesellschaft, die für ihn die großen Hoffnungsträgerinnen für ein neues Afrika darstellen. Den Kampf um ein genuin afrikanisches Kino führt er dabei auch als Aktivist, der sich für eine nachhaltige Infrastruktur und Vernetzung einsetzt und bis heute die panafrikanische Filmbewegung prägt – und damit seinen Ehrentitel als »Vater des afrikanischen Kinos« zurecht trägt. (Florian Widegger)
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