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Seit mehr als 25 Jahren publiziert das Filmarchiv Austria im Eigenverlag filmhistorische Standardwerke zur österreichischen Filmgeschichte und zum deutschsprachigen Filmschaffen. Zum 70-jährigen Bestehen des Archivs ist eine Reihe von Publikationen geplant, den Auftakt macht eine Werkbiografie des österreichischen Regisseurs, Drehbuchautors, Cutters und Produktionsstrategen Karl Hartl (1899–1978). In seinem Werk spiegelt sich österreichische Filmgeschichte in ihren Höhen und Tiefen wie bei kaum einem zweiten Filmschaffenden seiner Zeit.
Kino zwischen den Zeiten
Der 1899 im Wiener Vorort Penzing Geborene ist einer jener Regisseure, die ihre Kunst von der Pike auf erlernten. Mit 18 Jahren tritt er als Laufbursche in die Sascha-Filmfabrik in Sievering ein. Erfahrungsreich ist seine vier Jahre währende Assistenzzeit bei dem aus Ungarn emigrierten Starregisseur Alexander Korda, ab 1926 steht er für mehrere Jahre als Regieassistent und Co-Drehbuchautor an der Seite seines Jugendfreundes Gustav Ucicky. Die notorische Geldknappheit der heimischen Filmproduktion veranlasst die Filmschaffenden, nach Berlin abzuwandern.
1930 erhält Hartl von der Ufa einen ersten Regievertrag, sein Durchbruch kommt ein Jahr später mit dem Weltkriegsdrama Berge in Flammen (1931). Mit F.P.1 antwortet nicht (1932) und Gold (1934) ist Hartl bei den Ufa-Großproduktionen angelangt. Die beiden Titel gehören zu den herausragenden Science-Fiction-Filmen ihrer Zeit, sie markieren Hartls Aufstieg in die Regie-Elite des nationalsozialistischen Films.
Hartl ist nicht, wie oft dargestellt, ein reiner Ufa-Regisseur. Seine Auftraggeber sind breit gestreut, er pendelt zwischen Wien und Berlin, und seine Engagements kommen mehrfach von exilierten sowie Wiener jüdischen Produzenten. 1938 wird Hartl von Propagandaminister Joseph Goebbels zum Produktionschef der Wien-Film berufen. Ein temporärer Ausstieg aus seiner Funktion eröffnet ihm die Möglichkeit, das legendäre Mozart-Biopic Wen die Götter lieben (1942) zu inszenieren.
Nach dem Krieg verwaltet Hartl das vormalige reichsdeutsche Vermögen des Filmsektors, wozu auch die Wiener Ateliers zählen. Maßgeblich ist er in dieser Zeit mit dem Wiederaufbau der heimischen Filmproduktion in der Westzone befasst. Seine erste Nachkriegsregie, Der Engel mit der Posaune (1948), ist ein aufwendiges und prominent besetztes Prestigeprojekt, das mit Mozart (1955) noch heute zu den bekanntesten heimischen Filmen seiner Zeit zählt. Nahezu drei Jahrzehnte gehört Hartl zu den bekanntesten und einflussreichsten Filmschaffenden des deutschen und österreichischen Films.
Rund 30 Regiefilme umfasst Karl Hartls Œuvre. Seinen Mitarbeitern hinter der Kamera gehören die versiertesten Techniker an, und vor der Kamera agieren die Stars ihrer Zeit, u. a. Willi Forst, Brigitte Helm, Paula Wessely, Hans Albers, Gustaf Gründgens, Oskar Werner und Curd Jürgens. Hartls Filme entziehen sich einer klaren Kategorisierung.
Zeitlebens bleibt er seinem Motto treu, sich nicht auf Genres festlegen zu wollen. Er bewegt sich ebenso virtuos zwischen Verwechslungskomödien, Action- und Science-Fiction-Filmen wie auch zwischen Melodramen und Musikfilmen. Sein Stil vereint technische Finesse mit erzählerischer Leichtigkeit, wodurch seine Werke bis heute als Meilensteine des deutschsprachigen Films gelten. (Armin Loacker)
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